Der EuGH hat heute in einer Vorabentscheidung im Streitfall um Nachahmung des Ferrari Designs FXX K geurteilt. Kann der Teilbereich einer Abbildung als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster beansprucht werden? „Ja“, urteilte der EuGH – aber nur, wenn…
Streitfall: Ferrari Design des Ferrari FXX K
Ferrari (Italien) führt seit Jahren einen Streitfall um das Ferrari Design seines Spitzenmodells Ferrari FXX K, das nur in sehr begrenzter Stückzahl hergestellt wurde und ausschließlich für das Fahren auf Rennstrecken vorgesehen ist. Den Ferrari FXX K gibt es in zwei Varianten, die sich nur durch die Farbe des „V“ auf der Fronthaube unterscheiden.
Mansory Design, deren Geschäftsführer WH ist, wiederum ist ein Unternehmen, das sogenanntes „Tuning“ von hochwertigen Fahrzeugen anbietet. Beide Unternehmen (Mansory Design & Holding GmbH,WH) sind in Deutschland ansässig. Seit 2016 produziert und vertreibt Mansory Design sogenannte „Tuning-Bausätze“, mit denen die Erscheinungsform des Ferrari 488 GTB so verändert werden kann, dass sie der des Ferrari FXX K nahekommt, und zwar in beiden Varianten des Ferrari FXX K.
Ferrari ist der Auffassung, Mansory Design verletze mit dem Vertrieb dieser Bauteile ein oder mehrere zu ihren Gunsten bestehende nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das aus dem Teilbereich ihres Modells FXX K bestehe. Es handelte sich um Bauelemente seiner Karosserie. Daher erhob Ferrari in Deutschland Verletzungsklage und stellte Annexanträge. Außerdem machte Ferrari in Bezug auf die im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Kauf angebotenen Bauteile Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz geltend.
Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster – aus Teilbereich des Automodells?
Das damit befasste Oberlandesgericht Düsseldorf wies – ebenso wie schon das LG Düsseldorf – die Klage bzw. Berufung von Ferrari zurück und entschied, dass das erste und das zweite beanspruchte Geschmacksmuster nie bestanden hätten, da Ferrari nicht nachgewiesen habe, dass die Mindestvoraussetzung einer gewissen Eigenständigkeit und Geschlossenheit der Form erfüllt gewesen sei. Nur das dritte beanspruchte Geschmacksmuster bestehe, das aber sei von Mansory Design nicht verletzt worden.
Inzwischen liegt der Fall beim Bundesgerichtshof (BGH), und dieser hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um ein Vorabentscheidungsurteil gebeten zur Auslegung von Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 sowie Art. 4 Abs. 2 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung.
Die Frage war: Kann durch die Offenbarung einer Gesamtabbildung eines Erzeugnisses ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster an einzelnen Teilen des Erzeugnisses entstehen?
Der EuGH beantwortete diese Frage mit einem klaren „Ja“ – sofern die Erscheinungsform dieses Teils oder Bauelements in der Abbildung der Offenbarung eindeutig erkennbar und klar sichtbar ist. Neuheit und die Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters sind für Erzeugnisse und Teile davon dieselben, stellte der EuGH klar.
Eigenart gemäß Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002
Es gelte der Grundsatz zur Bestimmung von Eigenart: es muss bei der Beurteilung von Eigenart möglich sein, das beanspruchte Geschmacksmuster mit einem oder mehreren genau bezeichneten und einzeln benannten Geschmacksmustern zu vergleichen. Hierfür ist unbedingt eine Abbildung erforderlich, auf der dieses beanspruchte Geschmacksmuster präzise und sicher zu erkennen ist, betonte der EuGH.
Der Begriff „Eigenart“ im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 regele nicht die Beziehungen zwischen dem Geschmacksmuster eines Erzeugnisses und den Geschmacksmustern der Teile, aus denen es besteht, sondern die Beziehung zwischen diesen Geschmacksmustern und anderen, älteren Geschmacksmustern. Damit aber geprüft werden kann, ob die Erscheinungsform Eigenart im Sinne des Art. 6 erfüllt, muss ein so beanspruchter Teilbereich eines Erzeugnisses durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur klar abgegrenzt sein, präzisierte das Gericht.
Konsequenz aus diesem Urteil
Ist es gemäß diesem Urteil nun erforderlich, jeden einzelnen Teil ihrer Erzeugnisse, den sie durch ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt sehen möchten, gesondert zu offenbaren? Der EuGH beruhigt; dies sei keineswegs erforderlich, um das Erfordernis der Erkennbarkeit des Schutzgegenstands zu gewährleisten. Aber es bleibt Tatsache mit diesem Urteil, dass ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster nur dann als Teil einer gesamten Abbildung beansprucht werden kann, wenn dieser Teil auch präzise und eindeutig zu erkennen ist. Es wird sich zeigen, wie dies in der gerichtlichen Praxis interpretiert werden wird.
Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster: Geringes Schutzniveau
Grundsätzlich ist das Schutzniveau für ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster ohnehin vermindert gegenüber eingetragenen Schutzrechten, darauf wies der EuGH auch nochmals deutlich hin. Denn der Inhaber eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist nur gegen die Nachahmung geschützt – und nur für den Zeitraum von 3 Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung.
Benötigen Sie Unterstützung für ihr Schutzrecht?
Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Design- und Markenrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz und sind berechtigt, Sie vor jedem Gericht zu vertreten – in Deutschland und auch international.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt auf.
Quellen:
Urteil des EuGH zum Ferrari Design: nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, EU:C:2021:889
Bild:
Schreiben Sie einen Kommentar