Eine mosaikartige Gesamtschau einzelner Elemente und die bloße bildliche Wiedergabe von Entgegenhaltungen verbietet sich, urteilte der BGH im Fall Meda Gate. Auch ein Geschmacksmuster zu einer Modul-Serie sei als Gesamteindruck zu bewerten.
Im Mittelpunkt standen die Wartebänke aus dem modularen Wartezonensystem „Meda Gate“ einer deutsch-schweizerischen Unternehmensgruppe, die Designmöbel entwickelt, herstellt und anbietet. Die Wartebank Modul-Serie Meda Gate ist durch eine Reihe von Gemeinschaftsgeschmacksmustern von dieser Unternehmensgruppe geschützt, die beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum jeweils seit dem 17. September 2010 eingetragen sind. Die Unternehmensgruppe sah diese Schutzrechte verletzt durch die Beklagte, die im Bereich der Objekteinrichtung tätig ist und unter der Bezeichnung „9000 DÉPART“ ein modulares Wartebanksystem vertreibt. Die Hersteller des Meda Gate Systems nahmen die Beklagte auf Unterlassung der Herstellung und Benutzung in der EU in Anspruch und forderten Schadensersatz.
Fall Meda Gate vor Gericht:
- März 2017: Landgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben (14c O 95/16)
- Berufung der Beklagten: das Berufungsgericht änderte das LG Urteil ab und wies die Klage ab
- Zugelassene Revision: die Klägerin erstrebte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
- August 2017: Urteil des OLG Düsseldorf (I-20 U 50/17) – die Klage wurde abgewiesen
- Januar 2019: BGH hebt Urteil des OLG auf und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Abstand zum vorbekannten Formenschatz relevant
In Verfahren um Geschmacksmuster für Design sind die Eigenart und der vorbekannte Formenschatz von besonderem Interesse. So auch im vorliegenden Fall: Den Klagemustern sei nur ein enger Schutzumfang zuzubilligen, weil sie nur einen geringen Abstand zum vorbekannten Formenschatz aufwiesen, urteilte das Berufungsgericht. Da der maßgebliche Formenschatz sehr dicht besetzt sei, fielen die angegriffenen Modelle nicht in den Schutzbereich der Klagemuster.
Der BGH wies diese Entscheidung zurück. Denn der Schutzumfang hänge vom Abstand des Klagemusters zum vorbekannten Formenschatz ab. Dieser Abstand sei durch einen Vergleich des Gesamteindrucks des Klagemusters und der vorbekannten Formgestaltungen zu ermitteln. Für die Frage, welchen Abstand die Klagemuster zum vorbekannten Formenschatz einhalten, komme es dabei nicht auf einen Vergleich ihrer einzelnen Merkmale mit einzelnen Merkmalen vorbekannter Muster an. Maßgeblich sei vielmehr der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster, urteilte der BGH. Einen solchen Vergleich aber habe das Berufungsgericht nicht angestellt, es hielt den mosaikartigen Vergleich einzelner Merkmale offenbar auch für gerechtfertigt, da es sich um ein modulares System handelte.
Der BGH ergänzte, dass sich der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach Art. 10 Abs. 1 GGV auf jedes Geschmacksmuster erstrecke, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Die Prüfung erfordere, dass der Schutzumfang des Geschmacksmusters bestimmt sowie sein Gesamteindruck und derjenige des angegriffenen Modells ermittelt und verglichen werden. Dabei seien sowohl die Übereinstimmungen als auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen.
Feststellung des Gesamteindrucks
Die Feststellung des übereinstimmenden Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Muster ist im Wesentlichen Sache des Tatgerichts, stellte der BGH klar. In der Revisionsinstanz sei nur zu prüfen, ob das Tatgericht einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Dies sei ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts.
Allerdings wies der BGH zwei der Klagepunkte ab: dass der maßgebliche Formenschatz sehr dicht besetzt sei, habe die Klägerin nicht hinreichend substantiiert bestritten. Dementsprechend handele es sich auch nach den Feststellungen des Landgerichts bei den Entgegenhaltungen um vorbekannten Formenschatz.
Und auch die Feststellung des Berufungsgerichts, der informierte Benutzer werde insbesondere dem Merkmal 2 („die Sitzschalen sind mit einem gewissen Abstand zueinander jeweils mittels zweier auskragender Stege, die vorne an der Sitzschale angreifen, an einem horizontalen Träger befestigt“) der Merkmalsgliederungen der beiden Klagemuster erhebliche Bedeutung beimessen, sei richtig. Dadurch entstehe der Eindruck eines Freischwingers, was zu einem sehr leichten, eher filigranen Eindruck führe.
Rechtsfehlerhaft aber habe das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an einen übereinstimmenden Gesamteindruck gestellt und zu den Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen zwischen der angegriffenen Ausführungsform und den Klagemustern keine hinreichenden Feststellungen getroffen.
BGH hob Urteil auf und verwies zurück
Der BGH hob daher das Urteil des OLG auf und verwies es zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, auch über die Kosten der Revision. Der Senat könne nicht in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif sei (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn die tatsächlichen Feststellungen zum Schutzumfang der Klagemuster seien vom Berufungsgericht erneut zu treffen. Und bei der Beurteilung des Abstands des Klagemusters zum vorbekannten Formenschatz komme es maßgeblich auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster an (Verordnung (EG) Nr. 6/2002 Art. 10).
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