Kniffliger Fall im Recht für Arbeitnehmererfindung: Der Arbeitnehmer hat in dem Unternehmen seines Arbeitgebers eine Erfindung gemacht. Der Arbeitgeber meldete das Patent an und nannte als Erfinder korrekterweise den Arbeitnehmer und einen zweiten Miterfinder. Das Patent wird vom Arbeitgeber im Betrieb genutzt, darüber hinaus aber auch an Dritte lizensiert. Darf das sein? Ein Fall um eine frei gewordene Diensterfindung.
Der beschriebene Fall findet so oder ähnlich in vielen mittelständischen Betrieben statt. Zu einem Rechtsstreit kam es über die Frage, wer über die Diensterfindung verfügen kann und wie. Ebenso wichtig war aber auch die Frage nach der Gegenleistung für die vertragliche Überleitung der Erfindungsrechte auf den Arbeitgeber. In einem Zwischenbescheid empfahl die angerufene Schiedsstelle des DPMA (Arb.Erf. 60/13 v. 15.06.2016):
Der Ankauf von freigewordenen Diensterfindungen durch den Arbeitnehmer müsse höher vergütet werden als dies von §§ 13, 14, 16 ArbEG vorgesehen sei.
Frei gewordene Diensterfindung
In dem der Schiedsstelle vorliegenden Fall, auf den das ArbEG der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung Anwendung findet, geht es unter anderem um eine vom Arbeitgeber angemeldeten und erteilten Erfindung des Arbeitnehmers. Das Patent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität beim Europäischen Patentamt zur Erteilung eines Patents angemeldet. Das Patent wird von dem Arbeitgeber in seinem Betrieb genutzt und von ihm an Dritte lizensiert. Jedoch ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unstreitig, dass das Patent nicht schriftlich in Anspruch genommen worden ist.
Demnach handelt es sich hier um eine frei gewordene Diensterfindung, die nicht von der Arbeitgeber hätte angemeldet und verwertet werden durfte. Denn nach dem ArbEG in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung müssen Diensterfindungen ausdrücklich durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Arbeitnehmererfinder in Anspruch genommen werden, anderenfalls werden sie frei und der Arbeitnehmer kann mit seiner Erfindung nach Belieben umgehen und sie u.a. auch dem Arbeitgeber zum Kauf anbieten.
Da der Rechteinhaber beim Verkauf jedoch sein potentiell geldwertes Recht aufgibt, wird dies regelmäßig nur gegen Verpflichtung erfolgen, eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Die Schiedsstelle ist hierzu der Ansicht, dass diese Gegenleistung den in §§ 13, 14, 16 ArbEG geschuldeten Betrag übersteigen müsse, weil es sich um einen Ankauf der Rechte handele und nicht um ein Recht, das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsverhältnisses zur Übernahme angeboten werden müsse.
Hierbei wird sicherlich auch ins Gewicht fallen, dass die Anmeldung der freigewordenen Diensterfindung durch den Arbeitgeber diesen zum unberechtigten Entnehmer werden lässt und so dem Grunde nach schadenersatzpflichtig macht.
Exkurs: Freigabefiktion vs. Inanspruchnahmefiktion
Die sogenannte Inanspruchnahmefiktion gilt erst für Erfindungen, die ab dem 01.10.2009 gemacht worden sind und löst somit die vorherige Freigabefiktion nach Ablauf von vier Monaten nach Anzeige der Diensterfindung ab.
Vor dem 1.10.2009 sind Diensterfindungen freigeworden, wenn der Arbeitgeber die Inanspruchnahme nicht innerhalb von vier Monaten schriftlich erklärt hat. Heute ist es genau umgekehrt: Von der Inanspruchnahme ist dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber die Freigabe nicht vor Ablauf von vier Monaten erklärt.
Für freie Erfindungen (also solche, die nicht zweckgebunden für den Betrieb gemacht wurden (§ 4 Abs. 2 ArbnErfG)) verbleibt es bei der alten Regelung: Die Inanspruchnahme muss innerhalb von drei Monaten erklärt werden. Diese kann jetzt aber auch in Textform erfolgen.
Zu den übrigen Unterschieden zwischen neuen und altem Recht siehe hier:
Arbeitnehmererfindungsgesetz – Änderungen 2009
Miterfinderanteil
Außerdem ist hier der konkrete Miterfinderanteil streitig, weil die Arbeitgeberin der Ansicht ist, dass neben dem Antragssteller auch noch zwei weitere Arbeitnehmer Miterfinder seien. Der Antragssteller trägt jedoch vor, dass er sich mit einem Arbeitskollegen auf die prozentuale Verteilung der gesamten 100 % geeinigt habe, nämlich auf 70 %, die auf den Antragsstelle entfallen, und auf 30 % für den am Verfahren nicht beteiligten Miterfinder. Der von der Arbeitgeberin benannte dritte Miterfinder sei also an der streitgegenständlichen Erfindung gar nicht durch eigene Leistung beteiligt gewesen. Schließlich ist die Arbeitgeberin der Ansicht, dass auf den Antragssteller lediglich ein Miterfinderanteil von 20 % entfiele.
Die Schiedsstelle stellt für die Art und Weise der Feststellung, wer zu welchem Anteil Miterfinder ist, auf mehrere Leitentscheidungen des BGH ab:
Nach Atemgasdrucksteuerung (BGH v. 17.05.2011 – X ZR 53/08) wird der Kreis der Miterfinder unter denjenigen geschlossen, „die einen schöpferischen Beitrag zu der technischen Lehre der Erfindung geleistet haben.“ Deswegen müsse auf die „gesamte unter Schutz gestellte technische Lehre und deren Zustandekommen“ in den Blick genommen und geprüft werden, „mit welcher konkreten schöpferischen Eigenleistung der Einzelne zu der in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Erfindung beigetragen“ habe (BGH v. 17.05.2011 – X ZR 53/08 und v. 20.02.1979 – X ZR 63/77 – Biedermeiermanschetten).
Für den streitgegenständlichen Fall weist die Schiedsstelle darauf hin, eine Einigung zwischen den Erfindern keine Wirkung für die Arbeitgeberin entfalte. Zunächst hat die Arbeitgeberin zur Festsetzung einer Arbeitnehmervergütung die Miterfinderanteile festzustellen und insoweit auch selbst zu prüfen, wie viele Miterfinder an einer Erfindung beteiligt und somit zu vergüten sind.
Eine Bindungswirkung entsteht auch nicht daraus, dass der Arbeitgeber bei der Anmeldung das Patents, eine oder mehrere konkrete Personen nach § 63 PatG benannt hat. Die Norm soll keinen materiellen Anspruch des Erfinders begründen sondern lediglich das Erfindungspersönlichkeitsrecht schützen).
Bei einen in Betracht kommenden Bereicherungsanspruch steht die Bruchteilsgemeinschaft (Miterfinderschaft) diesem nicht im Wege, vielmehr kann der Erfindungsanteil unter den Voraussetzungen gem. § 743 BGB von jedem Teilhaber selbst oder gem. § 744 I BGB gemeinsam verwertet werden.
Unzuständigkeit der Schiedsstelle
In der Sache erklärt sich die Schiedsstelle jedoch für die Entscheidungsfindung unzuständig. Denn bereits mit der Entscheidung der Schiedsstelle von 14.06.1977 –Arb.Erf. 42/76 (BlPMZ 1979, 159) sei es gefestigte Rechtsansicht, dass das ArbEG grundsätzlich den festgestellten Erfinderstatus gem. § 8 PatG voraussetze.
Sie verweist insoweit auf § 39 ArbEG, der auf die Zuständigkeit der Patentstreitkammern der Landgerichte und die inter-partes-Bindungswirkung eines Schiedsspruchs (§ 33 ArbEG i.V.m. § 1042 II ZPO).
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