Obwohl die gute Konjunktur die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland sinken lässt, sind alleine im ersten Halbjahr 2017 nach Aussagen der Creditreform bereits ca. 10.300 Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Gehört in einem solchen Fall eine Diensterfindung zur Insolvenzmasse?
Insolvenzmassezugehörigkeit des Rechts zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung
In einem Insolvenzverfahren ist der entscheidende Punkt, wem die Patente gehören: dem insolventen Unternehmen oder beispielsweise dem Gesellschafter bzw. den Gesellschaftern des insolventen Unternehmens? Das OLG Karlsruhe hat bereits 2012 entschieden (Az. 6 U 126/11), dass der Anspruch zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung ein Anspruch eigener Art ist und als solcher kein Teil der Insolvenzmasse sei. Es handele sich dabei um ein höchstpersönliches Recht des Arbeitgebers, das als solches nicht übertragbar, verpfändbar oder pfändbar sei, und damit nicht in die Insolvenzmasse falle, heißt es in der Formulierung des Leitsatzes.
Exkurs Diensterfindung
Bei Erfindungen muss zwischen gebundenen und freien Erfindungen unterschieden werden. Bezogen auf die Arbeitnehmererfindung sind gebundene Erfindungen solche, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht wurden. Sie sind entweder aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegenden Tätigkeit entstanden oder beruhen maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes oder der öffentlichen Verwaltung.
Diese Erfindungen werden Diensterfindungen genannt und sind patent- oder gebrauchsmusterfähig. Möchte der Arbeitgeber die Erfindung wirtschaftlich nutzen, nimmt er die Diensterfindung in Anspruch und meldet das Patent oder Gebrauchsmuster an. Der Arbeitnehmererfinder hat einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung.
Zitat: Unser IP-Blog: Was ist eigentlich eine Arbeitnehmererfindung bzw. Diensterfindung?
Hintergrund: die Insolvenzanfechtung
Der zugrunde liegende Fall lag zusammengefasst wie folgt: Die Beklagte ist alleinige Gesellschafterin der nun insolventen Schuldnerin. Im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Schuldnerin, an der die Erfinder nach Ansicht des Gerichts nicht beteiligt gewesen waren, sollte die Beklagte alle Erfindungen, die im Betrieb der Schuldnerin gemacht wurden, von der Beklagten angemeldet werden. Demnach sollten alle angemeldeten Patente im Eigentum der Beklagten stehen, ohne dass eine Gegenleistung für das Recht zur Anmeldung und Nutzung der Patente gezahlt werden sollte.
Im Rahmen der Insolvenzanfechtung verlangte der Insolvenzverwalter nun die Übertragung einzelner Patente von der Beklagten auf die Schuldnerin.
Der Kläger ging mit der Begründung von einem Anfechtungsgrund i.S.v. § 143 InsO aus, dass der Erfinder der Patente Arbeitnehmerin der Schuldnerin und nicht der Beklagten war und dieser die Erfindung der Schuldnerin nie angezeigt hatte. Auch der unentgeltliche Erwerb der Schutzrechte von der Schuldnerin stelle einen Anfechtungsgrund dar. Aufgrund der so widerrechtlich erworbenen Schutzrechtsinhaberschaft sei das Vermögen der Schuldnerin vermindert und somit deren Gläubiger benachteiligt worden.
Das OLG Karlsruhe urteilte jedoch, dass die vermögenswerte Position der Beklagten nicht aus dem Vermögen der Schuldnerin stamme, denn:
- ein Übertragungsvertrag zwischen Erfinder und Schuldnerin hätte nicht vorgelegen und
- die Schuldnerin hatte die Diensterfindung nach dem § 6 Abs. 1 ArbnErfG in der bis zum 30.09.2009 anzuwendenden Fassung nie schriftlich in Anspruch genommen.
Zwar müssen Unterlagen über die Diensterfindung dem Geschäftsführer der Schuldnerin, der im Zeitpunkt der Patentanmeldung auch Geschäftsführer der Beklagten war, zur Kenntnis gelangt worden seien, so dass eine Anmeldung des Schutzrechts überhaupt möglich war. Die Kenntnis von der Erfindung allein, die die Frist zur Inanspruchnahme (§ 6 Abs. 1 ArbnErfG a.F.) auslöst, reiche für eine Inanspruchnahme jedoch nicht aus.
Vermögensrechtliche Zuordnung der Schutzrechte
Das Recht zur Inanspruchnahme einer Erfindung schafft kein definitives Recht auf die Erfindung.
Dieses begründete das Gericht mit dem Argument, dass die vermögensrechtliche Zuordnung der Schutzrechte eindeutig sei, wenn die Schuldnerin selbst die Erfinderin wäre. Weil sie es aber im gegenständlichen Fall gerade nicht ist, kann das Vermögen der Schuldnerin nur durch einen wie auch immer gearteten Übertragungsakt vom Arbeitnehmer auf die Schuldnerin erfolgen.
Da die schriftliche Inanspruchnahme aber nicht erfolgte, ist sie zu keinem Zeitpunkt Inhaberin der Schutzrechte geworden, sie sind nie Teil des Vermögens der Schuldnerin geworden. Somit hat die Beklagte die Patente nicht aus dem Vermögen der Schuldnerin erworben, und es liegt kein Anfechtungsgrund nach § 143 InsO vor.
Das Gleiche gilt für einen Anspruch auf Rückgewähr aufgrund Leistungskondiktion. Die Beklagte ist nicht aufgrund von Leistung der Schuldnerin Inhaberin der Schutzrechte geworden.
Auch eine Eingriffskondiktion käme nicht in Betracht, weil diese den Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts des Anspruchsinhabers voraussetze. Dies ist hier aber nicht der Fall, weil die Schutzrechte mangels Inanspruchnahme der Diensterfindung nie Teil des Vermögens der Schuldnerin waren.
Daran ändert auch die Vereinbarung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten nichts, denn insoweit der jeweils betroffene Erfinder daran nicht beteiligt war, entfaltet diese keine Wirkung für ihn.
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Quellen:
Urteil des OLG Karlsruhe vom 26.09.2012 (Az. 6 U 126/11)
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