Eine Erfindung gemacht, ein Patent angemeldet oder das Patent am Ende doch nicht genutzt? Das passiert häufiger als man denkt, denn oft steht ja die Patenterteilung am Anfang der eigentlichen Umsetzung der Erfindung. Doch wie berechnen sich Abschlagszahlungen auf eine Arbeitnehmererfindung?
Keine Arbeitnehmererfindungsvergütung auf Vorschuss- und Abschlagszahlungen
Die Entwicklung eines Prototyps, die Finanzierung, mögliche Produktionswege – es gibt viel zu tun, bis aus einem erteilten Patent ein wirkliches Produkt und damit auch ein wirklicher Wert entsteht. Dennoch ist eine Arbeitnehmererfindungsvergütung noch nicht fällig, wenn der Arbeitgeber zwar schon Vorschuss- oder Abschlagszahlungen für einen Gegenstand erhalten hat, dieser Gegenstand aber im Zeitpunkt der Zahlung noch gar nicht gebaut ist, entschied die Schiedsstelle des DPMA (Arb.Erf. 26/14 v. 15.07.2016)
In dem dem Schiedsspruch zugrunde liegenden Fall geht es um die Fälligkeit der Arbeitnehmererfindungsvergütung zweier in Anspruch genommenen Diensterfindungen, die von der Arbeitgeberin auch zum Patent angemeldet und erteilt worden sind, wobei eine zwar von der Arbeitgeberin genutzt, die andere aber lediglich bevorratet wird. Bei der benutzten Erfindung war der Erfindungswert unter mehreren Aspekten streitig.
Vergütungsfestsetzungsanspruch begründet keinen Vergütungsanspruch
Die Schiedsstelle erörtert zunächst, dass der Vergütungsfestsetzungsanspruch aus § 12 Abs. 3 S. 2 ArbEG selbst – anders als dies der Erfinder angenommen hat – keinen Vergütungsanspruch begründet. Vielmehr setze dieser einen materiell-rechtlichen Vergütungsanspruch voraus, der sich wiederum nach § 9 Abs. 1 ArbEG in der bis zum 30.09.2009 anzuwendenden Fassung richte. Vergütung sei daher dem Grunde nach aufgrund der unbeschränkten Inanspruchnahme der Diensterfindung zu zahlen. Die Höhe der Vergütung richtet sich aber nach dem Erfindungswert, der sich wiederum am tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil zu orientieren habe, und dem Anteilsfaktor, also dem Anteil der technischen Aufgabe zum Zustandekommen der Diensterfindung sowie der Stellung und der Aufgabe des Erfinders im Betrieb.
Solange aber ein Arbeitgeber die Erfindung bis zum 8. Patentjahr nicht verwerte, erhalte er für diesen Zeitraum allerdings keinerlei geldwerten Vorteil sondern habe nur Kosten. Für diesen Zeitraum liege der nominelle Erfindungswert also lediglich bei Null. Was aber gilt für Vorschuss- und Abschlagszahlungen?
Vorschuss- und Abschlagszahlungen auch in der Erprobungsphase kein geldwerter Vorteil
Auch im Zeitraum einer ggf. langwierigen und mehrere Jahre andauernden Erprobungsphase entstünden der Arbeitgeberin keine geldwerten Vorteile. Dieser Grundsatz gelte auch dann (und so lange) das jeweilige Produkt – hier ein Flugzeug, das nur mit entsprechender behördlicher Genehmigung in den Markt gelangen dürfe –, für das etwaige Anzahlungs- oder Abschlagszahlungen dem Arbeitgeber bereits vorab zukämen, „noch nicht gebaut oder zumindest fertig gestellt ist“.
Eine Schätzung oder eine Unterstellung von fiktiven Vorteilen aufgrund von RL. 13 verbiete sich, weil es sich bei den Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst nicht um materielles Recht (weder Gesetz noch Rechtsverordnung) handele sondern um ein unverbindliches Hilfsmittel zur Ermittlung der angemessen Erfindungsvergütung.
Erst ab Auslieferung des Endprodukts wird Erfindungswert ermittelt
Ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Auslieferung der vertriebenen Endprodukte, für die vom Käufer regelmäßig eine Gegenleistung erbracht werde, könne nach den Grundsätzen der abstrakten Lizenzanalogie der Erfindungswert ermittelt werden. Dabei müsse aber auch berücksichtigt werden, in welchem Umfang die von der Arbeitgeberin vertriebenen Endprodukte von der Diensterfindung umfasst seien, wenn das Endprodukt nicht inhaltsgleich mit der Erfindung ist sondern – wie in den meisten Fällen – noch aus einer Zahl von verschiedensten Bauteilelementen besteht, denen ggf. selbst jeweils eigenständige Erfindungen zugrunde liegen. Die Analogie müsse abstrakt erfolgen, weil kein vergleichbarer Lizenzvertrag für die betreffende Erfindung vorliege.
Erfindungswert nach Lizenzsatz berechnet
Nach ständiger Schiedsstellenpraxis werde auf den marktüblichen Lizenzsatz abgestellt, der unter den für die jeweils produktspezifischen Märkte und den dazugehörigen üblichen Gewinnmargen zu ermitteln sei. Da im hiesigen Fall das Endprodukt ein Flugzeug sei, käme grundsätzlich der Markt des Flugzeugbaus des letzten Jahrzehnts in Betracht, jedoch sei dieser Bereich auf Verkehrsmaschinen mit bis zu 110 Passagieren einzugrenzen, da der Mittelwert durch den Verkauf von z.B. Hubschraubern und Sportflugzeugen verfälscht werden könne. Bei den Verkehrsmaschinen läge die Marge bei den Marktführern wie Boeing und Airbus zwischen sechs und sieben Prozent. Die Marge kleinerer Marktteilnehmer liege aber deutlich darunter. Es müsse aber auch ein relativ hoher Abzug für Steuern und Zinsen von bis zu einem Drittel vorgenommen werden. Unter Berücksichtigung all dieser Punkte geht die Schiedsstelle schließlich von einem Höchstlizenzsatz von max. 2% aus.
Für den konkreten Lizenzsatz kommt die Schiedsstelle zu dem Schluss, dass ein Satz von 1,2% mit Abstaffelung gerechtfertigt sei, da zwar Umgehungslösungen von Marktteilnehmern möglich scheinen, die Erfindung aber zu Gewichts- und Luftwiderstandsreduktion und Montageerleichterung des Endprodukts führe und die Erfindung schließlich im streitgegenständlichen Endprodukt (dem Flugzeug) 105mal zum Einsatz käme, sei also von besonders gesteigerten Bedeutung für das Endprodukt.
Eine Abstaffelung sei deswegen vorzunehmen, weil sich der relevante Abnehmerkreis des Endproduktes zwar über die gesamte Welt verteilt aber besonders hohe Umsätze (hier über 100 Mio. EUR) mit dem Vertrieb des Endproduktes und aufgrund seiner Marktposition erwarte und daher regelmäßig in Lizenzverträgen eine Abstaffelung abhängig von bestimmten Umsatzgrenzen vereinbaren würde. Auch hier sei die RL. 11 zwar grundsätzlich anwendbar, sei aber – wie bereits aufgezeigt – nicht rechtsverbindlich, wenn – wie hier – gute Gründe dagegen sprechen. Denn die hohen Umsätze im Vertrieb seien nicht auf die verbaute Technologie im Allgemein und die konkrete Erfindung im Speziellen zurückzuführen, sondern auf die Eigenheiten des Marktes und die jeweilige Marktstellung des Produktveräußerers.
(Zur Vergütung einer Arbeitnehmererfindung: https://legal-patent.com/de/arbeitnehmererfindung/arbeitnehmererfindung-das-muessen-sie-wissen-teil-2/)
Wert eines Vorratspatents bei beabsichtigter Verwertung
Einem Vorratspatent könne aber dann ein gewisser Erfindungswert zugeordnet werden, wenn die Erfindung deswegen bevorratet wird, weil der Arbeitgeber beabsichtigt, zukünftig mit der Verwertung Umsätze zu erzielen. Da sich die rechtlich gebotene Schätzung dieser wirtschaftlichen Hoffnung als praxisuntauglich erwiesen habe, wendet die Schiedsstelle die Erfahrungssätze aus der eigenen ständigen Entscheidungspraxis an, nach der für Vorratspatente jährlich ein Erfindungswert zwischen 640 EUR und 770 EUR, erstmals zu zahlen nach Ablauf der siebenjährigen Überlegungsfrist aus § 44 Abs. 2 PatG, anzusetzen sei.
Sind Sie (als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) betroffen?
Sie haben eine Erfindung (als Arbeitnehmer) gemacht und möchten genauere Informationen dazu haben und beraten werden? Oder möchten Sie als Arbeitgeber wissen, was Ihnen zusteht, auf was Sie achten müssen und wie eine Patentanmeldung funktioniert?
Quellen: Schiedsstelle des DPMA – Arbeitnehmererfindung
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