Bei einer Zwangsvollstreckung kommt es immer wieder zu – wiederholten – Verstößen gegen eine Unterlassungsverurteilung. Der BGH hat in einer Leitsatzentscheidung dazu entschieden – mit prozesstaktischen Konsequenzen.
Zwangsvollstreckung und Bemessung des Ordnungsmittels
Das Urteil des BGH (Beschluss vom Dezember 2020, I ZB 99/19) zur Zwangsvollstreckung handelt vordergründig von der Bemessung des Ordnungsmittels im Fall einer Zwangsvollstreckung. In dieser Hinsicht entschied der BGH schon bereits 2009 (BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 14), dass bei wiederholten Verstößen nicht das Vielfache der für eine einzelne Zuwiderhandlung als angemessen erachteten Sanktion zu verhängen sei. Außerdem können mehrere Verhaltensweisen als natürliche Handlungseinheit, als eine Tat angesehen werden – obwohl der Rechtsbegriff der Fortsetzungstat im Recht der Vertragsstrafe sowie auch in Bezug auf Zwangsvollstreckung schon 2001 bzw. 2008 für unanwendbar erklärt wurde.
Nach Ansicht des BGH handelte es sich im vorliegenden Fall eindeutig um eine solche natürliche Handlungseinheit – inhaltlich übereinstimmende E-Mails wurden innerhalb eines Abstands von nur 19 Sekunden an zwei verschiedene Interessentinnen versandt, obwohl gegen diesen E-Mail Versand ein Unterlassungsurteil vorlag. Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wendete sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von insgesamt 30.000 €. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin machte dagegen die Festsetzung eines höheren Ordnungsgeldes geltend – doch beides war vergeblich, der BGH wies die Forderungen beider Parteien zurück.
Zu einer natürlichen Handlungseinheit können nur solche Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen, betonte der BGH. Mit Versenden der beiden E-Mails, welches ein Verstoß gegen das Unterlassungsurteil und des Vollstreckungstitels war, wurde jeweils eine Broschüre beigefügt – damit liegen insgesamt drei Zuwiderhandlungen vor, entschied der BGH.
Geldstrafen müssen verhältnismäßig sein
Ordnungsmittel wiederum sind in Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen, erläuterte das Gericht, Ordnungsmittel des § 890 ZPO dienen zudem präventiv der Verhinderung zukünftiger Zuwiderhandlungen. Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss aber ein gerechtes Verhältnis zwischen Schwere der Zuwiderhandlung und dem Verschulden stehen, außerdem sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen. Insgesamt zeigt das Urteil daher, dass nur mäßig hohe Geldstrafen als Ordnungsmittel anzusetzen sind.
Darüber hinaus jedoch hat das Urteil des BGH auch prozesstaktische Auswirkung in Bezug auf die Verjährung, genauer gesagt auf die Verfolgungsverjährung.
Wie hängt das nun mit Verjährung zusammen?
Die Gläubigerin machte mit einer weiteren Beschwerde geltend, dass seit den Zuwiderhandlungen mehr als zwei Jahre vergangen waren und damit die sogenannte Verfolgungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 1 EGStGB eingetreten ist.
Doch vergeblich, auch diese Beschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen. Zwar gelte in der Regel eine zweijährige Verjährungsfrist für die Ordnungsmittel des § 890 ZPO, sobald die Handlung beendet ist; auch schließe die Verjährung die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft aus. Zudem gibt es keine Regelung, dass die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt abläuft, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist (wie es sie beispielsweise im StGB (Strafgesetzbuch) oder OWIG (Ordnungswidrigkeitengesetz) gibt).
Daher, erläuterte der BGH, könne die Verfolgungsverjährung nur dann ruhen, wenn die Verfolgung nach dem Gesetz nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Trotz allem könne daher keine Verfolgungsverjährung nicht mehr eintreten, wenn das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht ein Ordnungsmittel bereits festgesetzt hat, stellte der BGH fest. In so einem Fall komme nur noch die Vollstreckungsverjährung in Betracht (Art. 9 Abs. 2 EGStGB (Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch)).
Wird also ein Ordnungsmittel innerhalb unverjährter Zeit festgesetzt, endet der Lauf der Verfolgungsverjährung – und dabei spielt der rechtskräftige Abschluss des Festsetzungsverfahrens keine Rolle.
Prozesstaktische Auswirkung in Bezug auf die Verjährung
In der Praxis öffnet sich daraus die Situation, dass im Fall einer Zwangsvollstreckung und Verstößen gegen die Unterlassungsverurteilung das Verfahren zeitlich in die Länge gezogen werden kann. Das hat Konsequenzen für Schuldner wie für Gläubiger in einer Zwangsvollstreckung.
Schuldner können bewusst versuchen, das Verfahren zeitlich zu verlängern – denn weder die Einreichung noch die Zustellung eines Ordnungsmittelantrags kann die Verjährung hemmen. Dies müssen auch Gläubiger bei einer Zwangsvollstreckung berücksichtigen. Sie müssen daher Verstöße gegen die Unterlassungsverurteilung unverzüglich und nachdrücklich verfolgen.
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Quellen:
BGH Urteil Zwangsvollstreckung, I ZB 99/19
Bild:
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