Für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung genügt die Übermittlung einer vom Gericht beglaubigten Abschrift des Eilrechtstitels. Dies stellte der BGH in einer Leitsatzentscheidung klar und erläuterte die Heilung und Konsequenzen eines Zustellungsmangels.
Zustellung einer einstweiligen Verfügung: einfache Abschrift oder eine Ausfertigung?
Die Zustellung einer im Beschlusswege erwirkten einstweiligen Verfügung (EV) folgt den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Seit dem 1. Juli 2014 genügt dafür die Übermittlung einer vom Gericht beglaubigten Abschrift des Eilrechtstitels durch den Zustellungsbeamten. Strittig war in dem vorliegenden Fall zwischen den Parteien, ob der von der Gerichtsvollzieherin zusammengehefteten und beglaubigten Zustellsendung eine Ausfertigung oder lediglich eine einfache Abschrift (im Detail: eine weder vom Urkundsbeamten unterschriebene noch mit einem Gerichtssiegel versehene „Ausfertigung“) der einstweiligen Verfügung beilag.
Die Klägerin hatte geltend gemacht, die Gerichtsvollzieherin habe die einstweilige Verfügung fehlerhaft – nämlich nur in einfacher Abschrift bzw. in Kopie einer einfachen Abschrift- zugestellt und hierdurch ihre Amtspflichten verletzt. Infolgedessen sei die einstweilige Verfügung wegen Versäumung der Vollziehungsfrist aufgehoben und sie, die Klägerin, forderte die Erstattung der entstandenen Verfahrenskosten als Schadensersatz.
Das zuständige Oberlandesgericht hatte argumentiert, die Zustellung einer bloßen Kopie (einfachen Abschrift) des Beschlusses sei zwar nicht ordnungsgemäß gewesen. Nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung hätte eine vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beglaubigte Abschrift des Eilrechtstitels zugestellt werden müssen. Dieser etwaige Zustellungsmangel sei aber nach § 189 ZPO durch Zugang einer einfachen Abschrift der Beschlussverfügung geheilt worden. § 189 ZPO sei weit auszulegen und ermögliche auch die Heilung von Mängeln des zuzustellenden Dokuments. Wenn der etwaige Zustellungsmangel aber geheilt worden und die einstweilige Verfügung somit fristgerecht vollzogen worden sei, fehle es an der Amtspflichtwidrigkeit.
Urteile werden grundsätzlich in beglaubigter Abschrift übermittelt
Der BGH widersprach der Argumentation des OLG in der rechtlichen Nachprüfung: mit der gegebenen Begründung könne eine Amtspflichtverletzung der Gerichtsvollzieherin nicht verneint werden.
Zwar sei es zutreffend, dass die Zustellung einer einstweiligen Verfügung durch Übermittlung einer vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beglaubigten Abschrift erfolgen kann. Seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 317 ZPO werden Urteile grundsätzlich in Abschrift zugestellt, die nach § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO von der Geschäftsstelle des Gerichts zu beglaubigen ist, führte der BGH aus. Ausfertigungen eines Urteils würden nach § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur noch auf Antrag einer Partei erteilt. Damit sei die Übersendung einer beglaubigten Abschrift zur Regelform der Urteilszustellung geworden und für den Beginn der Rechtsmittelfristen ausreichend. Gleiches gelte auch seit dem 1. Juli 2014 für die Zustellung einer Beschlussverfügung.
Es sei auch richtig, dass ein diesbezüglicher Zustellungsmangel durch Übermittlung einer vom Gerichtsvollzieher beglaubigten einfachen Abschrift des Eilrechtstitels gemäß § 189 ZPO geheilt werden kann, stellte der BGH klar. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werde der Mangel der unterbliebenen Zustellung einer beglaubigten Abschrift einer Klageschrift durch die von der Geschäftsstelle des Gerichts veranlasste Übermittlung einer (mit der Originalurkunde übereinstimmenden) einfachen Abschrift dieses Schriftstücks geheilt. Gleiches gelte bei der Zustellung lediglich einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift einer Nachweisurkunde im Sinne von § 750 Abs. 2 ZPO.
Heilung eines Zustellungsmangels hebt Amtspflichtverletzung nicht auf
Entgegen der Auslegung des OLG sei die Heilung des Zustellungsmangels jedoch nicht für das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung, sondern allein für den Eintritt und Umfang eines ersatzfähigen Schadens von Bedeutung. Ein Zustellungsbeamter, der entgegen den Vorschriften der Zivilprozessordnung eine Zustellung falsch bewirkt, verletze eine Amtspflicht, die ihm sowohl dem Absender als auch dem Empfänger gegenüber obliegt – auch wenn die Heilung des Zustellungsmangels bejaht wird. In einem solchen Fall gehöre der dem Antragsteller aus der damit verbundenen Kostenbelastung entstandene Schaden zu dem Bereich der Gefahren, für die der Gerichtsvollzieher und das an seiner Stelle nach Art. 34 Satz 1 GG haftende Land einstehen müssen, stellte der BGH klar. Für die Schadensersatzpflicht sei des Weiteren maßgebend, ob die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen worden ist. Im Falle der Annahme einer schuldhaften Amtspflichtverletzung wäre daher zu prüfen, ob die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen worden ist und bei ordnungsgemäßer Zustellung Bestand behalten hätte – mit der Folge, dass der Klägerin die Belastung mit den Kosten des Eilverfahrens erspart geblieben wäre. Dies sei aber durch das Berufungsgericht nicht erfolgt.
Urteil des BGH klärt bisherige Rechtsunsicherheit
Daher hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück. Der BGH hat mit diesem Urteil eine bisherige Rechtsunsicherheit geklärt. Denn in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wurde bisher uneinheitlich geurteilt über die Frage, ob die Übermittlung einer bloßen Kopie der einstweiligen Verfügung für eine Heilung des Zustellungsmangels ausreicht. Die in der Leitsatzentscheidung geforderte Beglaubigung durch den zustellenden Gerichtsvollzieher für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung dient der Authentizität und Amtlichkeit des zuzustellenden Schriftstücks.
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