Wird bei dem Verkauf gebrauchter WLAN-Router wie die FRITZ!Box die ursprünglich installierte Firmware ausgetauscht, ist das eine erschöpfungsschädliche Veränderung des Zustands der Ware im Sinne von Art. 15 Abs. 2 UMV, gleichgültig, ob hierdurch die Funktion verschlechtert wird.
In einem jetzt veröffentlichten Urteil des Landgerichts München I wird die Praxis im Gebrauchtwarenhandel, die ursprünglich installierte Firmware auszutauschen, in Hinblick auf die Unionsmarkenverordnung (UMV) eingeordnet.
Liegt auch dann eine erschöpfungsschädliche Veränderung des Zustands der Ware im Sinne von Art. 15 Abs. 2 UMV vor, wenn die Funktion der Ware hierdurch verbessert wird?
Der Sachverhalt: Verkauf gebrauchter WLAN-Router
Im vorliegenden Fall geht es um eine Markenverletzung, die der Hersteller der bekannten WLAN-Router (Stichwort FRITZ!Box) geltend machte gegenüber einem Händler vor allem elektrischer Geräte, eine im September 2015 gegründete UG. Der Router-Hersteller ist u. a. Inhaberin einer bis 2024 gültigen Unionsmarke, die Schutz beansprucht für Datenverarbeitungsgeräte.
Für Kabelnetzbetreiber des deutschen Kabelfernsehens brachte der Router-Hersteller 2015 eine Sonderedition heraus, die sich durch verminderten Leistungsumfang von der Serienfunktion unterschied, vor allem war sie ohne DVB-C-Streaming, also ohne Streamingoption von Kabel-TV-Sendungen.
Dennoch bewarb der Elektrohändler über das Internet gebrauchte Geräte dieser Sonderedition mit „Ohne Branding, mit aktueller Firmware 7.12, aktuellem Zertifikat“ sowie mit der Garantie des „vollen Funktionsumfangs“. Der Router-Hersteller führte daraufhin eine Testbestellung durch und stellte dabei fest, dass das Gerät mit der aktuellen …-Firmware für die Serienversion ausgestattet ist und dass das Gerät den vollen Leistungsumfang wie die Serienversion hat, insbesondere DVG-C-fähig ist, und auch das Logo entfernt worden war.
Es folgten eine Abmahnung und Aufforderung zur strafbewehrten Unterlassungserklärung an den Elektrohändler. Der Router-Hersteller machte einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch sowie einen Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG geltend. Nach § 140 Abs. 3 MarkenG wurde außerdem die Dringlichkeit vermutet. Das Landgericht München I erließ daraufhin eine Einstweilige Verfügung (Aktenzeichen 33 O 1703/20), gegen die der Elektrohändler Widerspruch einlegte und sich u. a. auf den Erschöpfungsgrundsatz nach Inverkehrbringen der Ware berief.
Das Landgericht München I wies diesen Widerspruch jetzt zurück. Der Router-Hersteller könne sich auf berechtigte Gründe i. S. v. Art. 15 Abs. 2 UMW berufen, sich dem weiteren Vertrieb zu widersetzen, weil der Zustand der Ware nach dem Inverkehrbringen und auch der Verwendungszweck der Geräte durch die Antragstellerin verändert worden sei, urteilte das Gericht. Zudem wurde der Funktionsumfang der Ware erweitert, da eine veränderte Firmware aufgespielt worden war, nämlich eine DVG-C-fähige.
Die Unionsmarke des Router-Herstellers genießt Schutz u. a. für Datenverarbeitungsgeräte, und zu diesen gehören auch WLAN-Router, entschied das Landgericht München I.
Somit verwendete der Elektrohändler ein mit der Unionsmarke des Router-Herstellers identisches oder jedenfalls hochgradig ähnliches Zeichen. Noch dazu wurde dieses Zeichen ebenfalls für WLAN-Router verwendet, somit für identische Waren, bzw. für jedenfalls hochgradig verwechslungsfähige Waren.
Daher könne nach Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 a und b UMV der Router-Hersteller dem Elektrohändler die Verwendung der Bezeichnung für WLAN-Router untersagen, ein Unterlassungsanspruch sei gegeben.
Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 1 UMV?
Doch liegt womöglich eine Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 1 UMV vor? Das Landgericht München verneinte dies.
Auch wenn der Markeninhaber mit dem ersten Inverkehrbringen der Ware im europäischen Wirtschaftsraum die ihm durch die Marke verliehenen Rechtsmacht grundsätzlich ausgeschöpft hat, gibt es Fälle, in welchen die markenrechtliche Kontrollbefugnis im Hinblick auf überwiegende Interessen des Markeninhabers wieder auflebt, erläuterte das Gericht und verwies auf Art. 15 UMV.
Deshalb bestimme Art. 15 Abs. 2 UMV nach Art einer Generalklausel, dass der Erschöpfungsgrundsatz dann nicht zur Anwendung kommt, soweit sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt.
Im vorliegenden Falle habe eine Veränderung der Ware durch die Antragsgegner i. S. v. Art. 15 Abs. 2 UMV stattgefunden. Für Herkunft und Qualität kann der Markeninhaber mit seiner Marke jedoch grundsätzlich nur für die Ware in dem Zustand bürgen, in dem sie von ihm oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden ist. Dies lässt auch nur strenge Maßstäbe zu für Änderungen des Verwendungszwecks (oder der Funktionalität) der Ware, erklärte das Gericht. Dabei sei es auch unerheblich, ob hierdurch die Funktion verschlechtert wurde.
Dazu formulierte das Landgericht folgenden Leitsatz:
„Wird die installierte Firmware auf einem WLAN-Router durch eine andere Firmware ersetzt, so stellt dies eine erschöpfungsschädliche Veränderung des Zustands der Ware im Sinne von Art. 15 Abs. 2 UMV dar, ohne dass es darauf ankommt, ob hierdurch die Funktion verschlechtert wird.“
Art. 14 Abs. 1 b UMV für Dritte veränderte Ware?
Ebenso wenig kann die Antragsgegnerseite sich auch nicht auf Art. 14 Abs. 1 b UMV berufen, dass sie die Bezeichnung lediglich als reine Bezeichnung der Ware verwenden würde. Im Verhältnis zwischen Art. 15 UMV und Art. 14 Abs. 1 b UMV gilt der Grundsatz, dass der Vertrieb nicht erschöpfter Ware nicht über Art. 14 Abs. 1 b UMV mit der Begründung, dass mit der fremden Marke lediglich die betriebliche Herkunft der Waren „beschrieben“ werde, gerechtfertigt werden kann, erläuterte das Gericht und fokussierte auch dies in einem Leitzsatz:
„Es widerspricht den anständigen Gepflogenheiten im Sinne von Art. 14 Abs. 2 UMV, durch Dritte veränderte Ware unter dem Zeichen des ursprünglichen Herstellers, der mit der Veränderung nichts zu tun hat, zu vertreiben, ohne die Veränderung durch Dritte kenntlich zu machen.“
Elektrogesetz hebelt nicht das Markenrecht aus
Auf die Vorschriften des Elektrogesetzes, wonach Elektroschrott so gut wie möglich zu vermeiden ist, kann sich die Antragsgegnerseite zur Rechtfertigung ihres Handelns ebenfalls nicht berufen. Denn das Elektrogesetz ermächtigt keinen Dritten, Markenrechte eines anderen zu verletzen.
Schließlich bestätigte das Gericht auch die Dringlichkeitsvermutung. Da der Testkauf innerhalb weniger Tage nach Kenntniserlangung von dem Internetangebot durchgeführt wurde und auch das gelieferte Testobjekt innerhalb angemessener Zeit abgeholt und untersucht wurde, sei die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt, entschied das Gericht.
Der Widerspruch wurde insgesamt zurückgewiesen.
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Quellen:
Urteil des Landgerichts München I, 17 HK O 1703/20
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