Der Europäische Gerichtshof hat ein wichtiges Urteil im Widerrufsrecht für Verbraucher auf Messen getroffen. Messestände sollen als Geschäftsräume behandelt werden, wenn der Verbraucher mit dem möglichen Abschluss eines Vertrags an diesem Messestand rechnen kann. War das nicht immer schon so, fragt man sich verwundert in Zeiten, in denen jeder online getätigter Kauf ein Widerrufsrecht beinhaltet.
Vor allem auf Verbrauchermessen steht schnell die Frage im Raum: Haben Verbraucher auf der Messe ein Widerrufsrecht, wenn sie dort etwas gekauft haben? Das ist doch schließlich bei jedem online getätigten Kauf der Fall.
Tatsächlich steht dem Verbraucher gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB (in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB) ein Widerrufsrecht zu – aber nur bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. In einem solchen Fall muss dies der Unternehmer nicht nur gewähren, sondern er muss den Verbraucher darüber auch informieren.
Dies stand im Mittelpunkt des Falls Verbraucherzentrale Berlin e.V. gegen Unimatic Vertriebs GmbH (BGH, Juli 2017, I ZR 135/16) – wir berichteten.
Daher hatte der EuGH die Frage zu beantworten: Handelt es sich bei einem Messestand um Geschäftsräume, vor allem wenn die Tätigkeit des Unternehmens auf dem Messestand nicht „für gewöhnlich“ stattfindet?
Ist ein Messestand ein Geschäftsraum?
Nach der Rechtsprechung sollen als Geschäftsräume alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen. Verkaufsstätten, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit saisonal ausübt, beispielsweise an einem Skiort oder Seebadeort, sollten als Geschäftsräume angesehen werden, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit in diesen Geschäftsräumen für gewöhnlich ausübt.
Vor allem aber die Bewertung von Messeständen war bisher unklar. Denn Aussteller auf Messen haben unterschiedliche Vertriebsstrukturen – und das hat Konsequenzen für das Widerrufsrecht. Denn bietet ein Unternehmer seine Produkte, die er im Wesentlichen in einer stationären gewerblichen Niederlassung vertreibt, zusätzlich auf einer Messe zum Verkauf an, wäre ein Verbraucher, der diese Produkte auf der Messe erwirbt, bei dem vorstehenden Verständnis des Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU zum Widerruf berechtigt. Würde der Verbraucher dagegen am benachbarten Messestand ein vergleichbares Produkt erwerben von einem Unternehmer erwerben, der nur auf Messen verkauft, würde ihm ein Widerrufsrecht deshalb nicht zustehen, weil der dort tätige Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft und für gewöhnlich auf Messen ausübt.
„für gewöhnlich“ meint nicht dauerhaft
Der EuGH stellte nun klar: auch ein Messestand eines Unternehmers, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, fällt unter den Begriff „Geschäftsräume“ im Sinne dieser Bestimmung, wenn der Verbraucher mit dem Vertragsschluss rechnen muss über die in Rede stehenden Waren auf der konkreten Messe. Das wiederum sei vom nationalen Gericht zu prüfen und zu beurteilen. Die Dauer der jeweiligen Messe sei insoweit für sich genommen nicht ausschlaggebend für die Beurteilung. Der Ausdruck „für gewöhnlich“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83 sei als Verweis auf die Üblichkeit der Ausübung der in Rede stehenden Tätigkeit in der betreffenden Räumlichkeit zu verstehen, nicht als zwingend dauerhafte Tätigkeit.
Dieses Urteil klärt die bisherige Unsicherheit: Alle Unternehmen, die mit einem Messestand auf Messen vertreten sind, werden wie eine stationäre gewerbliche Niederlassung behandelt. Es gibt kein Recht auf Widerruf für den Verbraucher. Was man auf einer Messe kauft, bleibt auch gekauft.
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