Wer ins Visier eines Patenttrolls gerät, kann nur verlieren: entweder Lizenzgebühren zahlen oder einen zähen Rechtsstreit ausfechten. Leider kann es jedes Unternehmen treffen – umso wichtiger sind mögliche Schutzvorkehrungen. Doch sind sog. „Patenttrolle“ nur ein schlechter Scherz oder steckt hinter der Fassade ein ernstes Thema mit neuem Geschäftsmodell?
Im Rahmen eines Fachbeitrags für das Creditreform Magazin hat unser Patentanwalt und Partner Dr. Tim Meyer-Dulheuer seine Expertise zum Thema „Patenttrolle“ den Lesern mitgeteilt. Der Artikel wurde darüber hinaus von Michael Klein, Leiter Vertrieb DACH bei Anaqua, und Christian Becker, Geschäftsführer beim Versicherungsmakler Domke Advice Service, ergänzt.
Nachfolgend finden Sie den erstellten Text Creditreform-Redakteur Michael Schlösser.
„Patenttrolle“ – niedlich, aber durchaus geschäftsruinierend
Was sich niedlich anhört, wird schnell geschäftskritisch: Wenn ein Zulieferbetrieb von einem Patentkläger „getrollt“ wird, kann ein ganzes Produkt vor dem Aus stehen. Beispiel Automotive: Rund sieben Jahre beträgt der Lebenszyklus eines Fahrzeugteils.
Zur Markteinführung schlägt die Stunde des Trolls: Beim Zulieferer geht die Patentklage ein – und hat im schlimmsten Fall einen Produktionsstopp zur Folge. Ein Prozess kann dauern, weiß Patentanwalt Tim Meyer-Dulheuer. Drei bis fünf Jahre sind realistisch. „In der Regel hat der Zulieferer aber einen mehrjährigen Rahmenvertrag mit dem Autobauer geschlossen“, sagt Meyer-Dulheuer. Wird das Fahrzeugteil nicht geliefert, droht eine Vertragsstrafe. „Dann sind Sie schnell bei der Frage, was Sie mehr kostet.“ Eine außergerichtliche Einigung mit dem Kläger ist in der Regel preiswerter als ein jahrelanger Rechtsstreit. Und sie rettet das Produkt.
Patentklagen sind grundsätzlich nicht verwerflich. Wer gemeinsam auf dem Markt unterwegs ist, wehrt sich zu Recht dagegen, wenn der Mitbewerber schamlos Ideen klaut – Produktpiraterie aus Fernost lässt grüßen. Der Troll aber hat einen anderen Plan: Sein Namensgeber lauerte in Märchen und Sagen unter Brücken und knöpfte den Vorbeireisenden Zölle ab. Das „Geschäftsprinzip“ ähnelt sich: Einem Patenttroll ist die Erfindung, die hinter dem Schutzrecht steht, herzlich egal. Er sichert sich gewisse Patente nur, um auf deren Grundlage möglichst viele Klagen einzureichen. Darin fordert er Lizenzgebühren, damit die von ihm beklagten Unternehmen in Ruhe weiterarbeiten können.
Neues Geschäftsmodell „Patentklagen“
Das sei aus juristischer Sicht absolut legitim, sagt Tim Meyer-Dulheuer. Man könne das Geschäftsmodell auch als Teil der Wertschöpfungkette aus einem Patent ansehen, erklärt der Frankfurter Patentanwalt . „Das ist einfach ein anderes Businessmodell. Diese Unternehmen haben eine andere Wertschöpfungsquelle.“ Mitunter macht diese Arbeitsteilung sogar auch Sinn: „Es gibt starke Erfinder, die aber schlecht im Vertrieb sind“, so Meyer-Dulheuer. „Sie konzentrieren sich lieber auf die Entwicklung und lassen die Patentrechte von jemand anderem wahren.“
Das Einklagen von Lizenzgebühren ist allerdings zu einem lukrativen Geschäftsmodell herangewachsen. In den USA stammen laut Angaben des Interessenverbandes Unified Patents fast 70 Prozent aller Patentklagen von Unternehmen, die mit ihren Patenten keine Produkte herstellen. „Diese Trolle sind darauf spezialisiert, anderen zu schaden“, sagt Michael Klein, Leiter Vertrieb DACH bei Anaqua, einem Anbieter von Management-Software für geistiges Eigentum. „So ein Modell widerspricht dem Grundgedanken des Patentschutzes.“ Das Patentrecht sei in dem Fall Fluch und Segen zugleich, so Klein.
„Es ist ein Segen, dass man seine Ideen schützen kann. Der Fluch ist, dass man sich angreifbar macht und es anderen den Missbrauch ermöglicht.“
Warum kann der Troll überhaupt angreifen? Der Kläger stürzt sich auf Patente, die sehr breit, recht vage oder extrem kompliziert formuliert sind. „Dem Troll geht es nicht darum, die Klage zu gewinnen“, sagt Klein. „Es reicht ihm, wenn ihm der Beklagte aus der Angst heraus die Lizenz für das Patent abkauft.“ Beliebte Ziele sind große Konzerne mit der entsprechenden wirtschaftlichen Stärke. So forderte der US-Patentverwerter VirnetX im vergangenen Jahr über 600 Millionen Dollar von Apple – das Verfahren läuft noch. Aber auch Mittelständler sind gefährdet. Schließlich stammen von ihnen rund ein Drittel der jährlichen Anmeldungen beim Europäischen Patentamt in München. „In die Falle kann jeder treten“, so Klein. „Der Troll klagt gegen Hunderte Unternehmen. Da reicht es schon, wenn der ein oder andere freiwillig zahlt. So ein Vergleich ist oft der weniger schmerzhafte Weg.“
Mehr Patente anmelden – weniger Angriffsfläche bieten
Einen sicheren Schutz gegen die Trolle gibt es nicht. „Noch mehr patentieren“, raten die Patentanwälte. Was sich widersprüchlich anhört, ergibt aber Sinn: „Wer sich stärkt, schützt sich“, sagt Klein. Wer weitere Patente rund um das zu schützende Patent sichert, bietet weniger Angriffsflächen. Zudem kann das Unternehmen selbst Lizenzen verkaufen. Aber: Das kostet Geld (siehe Infokasten), bindet Manpower und erfordert ein sinnvolles Patent-Managementsystem. „Das ist ein anspruchsvoller Bereich“, mahnt Klein.
Eine hundertprozentige Sicherheit bieten Abwehrpatente aber auch nicht. Wer kann, sollte Rücklagen für juristische Auseinandersetzungen bilden. Und wer die nicht hat, braucht eine andere Alternative: zum Beispiel einen Versicherungsschutz. Das wird interessant für Unternehmen mit einem Umsatz ab etwa fünf Millionen Euro. „Sie lagern damit das Risiko komplett aus“, sagt Christian Becker, Geschäftsführer beim Versicherungsmakler Domke Advice Service. „Die Versicherung übernimmt sowohl Abwehrkosten als auch eventuelle Schadensersatzleistungen.“ Da die Abwehr kostenintensiv ist, sind auch die Jahresbeiträge für eine Patenthaftpflicht nicht ohne. Hinzu kommt eine deutliche Selbstbeteiligung – bei Mittelständlern meistens in der Größenordnung zwischen 15.000 und 100.000 Euro.
Rechtsschutz gegen Patenttrolle: Erst 1 Anbieter vorhanden
„Es gibt nur eine Gesellschaft in Deutschland, die so eine Versicherung anbietet – andere Anbieter sind in Vorbereitung ähnlicher Produkte“, sagt Becker. „Das Modell wurde aus dem Bedarf von Unternehmen heraus entwickelt.“ Für wen eine Police Sinn macht? Da hat der Versicherungsexperte eine klare Empfehlung:
„Wenn es bei dem Patentschutz um die Existenz Ihres Unternehmens geht, dann brauchen Sie diesen Schutz“, rät Becker. Zum Beispiel bei klassischen Ein-Produkt-Anbietern. „Wenn Sie ‚too big to fail‘ sind, stellt sich die Frage nach einer Versicherung eher nicht.“
Patentexperte Michael Klein rät zudem dazu, Allianzen zu bilden. „Arbeiten Sie mit anderen Unternehmen zusammen“, sagt er. „Gehen Sie gemeinsam gegen diesen Unsinn an.
Stellen Sie Öffentlichkeit her, versuchen Sie Verbände einzuspannen und üben Sie politischen Druck aus.“ Je mehr Verbündete sich den Trollen entgegenstellen, desto besser.
Diese Themen könnten Sie in diesem Zusammenhang auch interessieren:
- Kostenübersicht: Was kostet ein Patent?
- 4 wertvolle Tipps um bei der Patentanmeldung (viel) Geld zu sparen
- Patentenanmeldung & Lizenzvergabe: Die unverzichtbaren Basics
- Diese 5 Ansprüche drohen Patentverletzern
Quellen:
Text: Beitrag Creditreform-Magazin.de
Bilder: artemtation / Pixabay.com / CC0 License || paulbr75 / Pixabay.com / CC0 License