Worst Case Szenario: Das Einheitliche Europäische Patentgericht (Unified Patent Court, UPC) sollte nach den Willen der Beteiligten eigentlich noch vor dem Brexit kommen. Dafür hat aber die Ratifizierung von Großbritannien und Deutschland durch den Erlass entsprechender Gesetze gefehlt. Nachdem Großbritannien zugestimmt und der Bundestag grünes Licht gegeben hat (und praktisch den Weg frei für das UPC gemacht wurde), hat nun ein unbekannter Kläger eine Beschwerde dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt – und damit den Ratifizierungsprozess auf Eis gelegt!
Ein unbekannter Kläger hat vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingereicht, um die Ratifizierung des seit Jahren in Planung befindlichen einheitlichen Europäische Patentgericht vorerst zu stoppen. Welche Gründe der Kläger vorgebracht hat, ist bis zum aktuellen Zeitpunkt (07.07.2017) nicht bekannt. (Ergänzung am 11.9.2017: Kläger ist nach Informationen des Bristows UPC Dr. Stjerna, ein Düsseldorfer Anwalt für IP Recht). Die Klage vor Deutschlands höchsten Gericht ist wie ein Schlag ins Gesicht für die Schaffung eines einheitlichen Patentrechts in der Europäischen Union. Nachdem bereits der „Brexit“ die Testphase um mehrere Monate verschoben hat, denn die Testphase sollte noch in diesen Jahr starten, bringt die Verfassungsbeschwerde den Zeitplan noch stärker durcheinander.
Bundesverfassungsgericht bittet Bundespräsident Steinmeier, die Ratifizierung nicht zu unterschreiben
Das letzte der drei nötigen nationalen Gesetze hatte kürzlich Bundesrat und Bundestag passiert. Dadurch galt der nationale Gesetzgebungsprozess als nahezu abgeschlossen. Der letzte Schritt wäre das Inkrafttreten des Umsetzungsgesetz durch die Unterschrift von Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Doch dieser hat auf Anraten des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seine Unterschrift bisher nicht abgegeben. Dadurch bekommt das BVerfG ausreichend Zeit, um einen gegen das Umsetzungsgesetz anhängigen Eilantrag prüfen zu können. Nun wurde bekannt, dass bereits am 31. März eine unbekannte Privatperson Verfassungsbeschwerde eingereicht hat. Und das nicht nur gegen das nationale Gesetz, sondern auch gegen das Übereinkommen selbst (Az. 2 BvR 739/17). Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Artikel vom 12. Juni.
Einheitliches Patentgericht: Das könnte der Beweggrund sein
Dadurch, dass die Beweggründe noch nicht offiziell veröffentlicht wurden, gibt es aktuell viele Spekulationen was bei der Ausarbeitung des Gesetzes bzw. des Übereinkommens schief gelaufen ist. Einer der Gründe könnten die Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren vor dem in München ansässigen Europäischen Patentamt sein. Das Problem: Die Exekutive (Gesetzesausführung) und die Judikative (Gerichtsbarkeit) waren an einen Standort und vor allem hatten sie ein und den selben Vorgesetzten – EPA-Präsident Benoît Battistelli. Battistelli, der an Spitze der Verwaltung und des Gerichtsteils des EPA steht, habe personell und sachlich Einfluss auf die Exekutive bzw. Judikative. Eine Prüfung der EPA-Entscheidungen durch ein unabhängiges Gericht sei dadurch nicht oder nur schwer möglich.
Diesbzgl. hatte das EPA bereits viel Kritik einstecken müssen. Im letzten Jahr gab man bekannt, dass man eine der Bereiche umziehen wird, um zumindest eine räumliche Trennung vorzunehmen. In der Pressemitteilung heißt es u.a. „Der Umzug in ein anderes Dienstgebäude ist deshalb ein wichtiger Schritt im Bemühen, das Beschwerdesystem des EPA langfristig zu sichern und nachhaltig zu stärken“ und „Bisher waren die Beschwerdekammern im Hauptgebäude des EPA an der Isar untergebracht. Die Vergrößerung ihrer organisatorischen Selbständigkeit war immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Eine verwaltungsmäßige Autonomie der Kammern war wiederholt thematisiert und im Verwaltungsrat erörtert worden.„.
Den angekündigten Umzug, der in den kommenden Monaten sein soll, könne man aber auch so aufnehmen, als dass der Präsident den Anschuldigern weniger Angriffsfläche bieten und zumindest räumlich ein Zeichen setzen wolle. An der institutionellen Verfassung des Amtes tut sich aber indes nichts. Im Klartext: Neuer Standort, aber alte Hierarchie und Arbeitsweise.
„Bitte“ des Bundesverfassungsgerichts impliziert durchaus gute Chancen für die Beschwerde
Der Bundespräsident habe „auf Bitte des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2017 die Ausfertigungsprüfung des Zustimmungsgesetzes“ zum einheitlichen Patentgericht „ausgesetzt“, bestätigt das Bundespräsidialamt. Die „Bitte“ sei zunächst mündlich, dann auch schriftlich übermittelt worden. (Zitat Textstelle FAZ-Artikel)
Dass sich das BVerfG mit einer Bitte direkt an den Bundespräsidenten wendet, ist eher selten. Durch die Bitte erhält das Bundesverfassungsgericht aber vor allem eines – Zeit. Es ist nicht nur eine Beschwerde eingegangen, sondern parallel auch ein Eilantrag, der zum einen das künftige Gesetz für das Patentgericht, aber auch die Patentrechtsreform unmittelbar betrifft.
Dass ein solches Mammutprojekt nicht binnen weniger Tage entschieden werden kann, liegt auf der Hand.
Wir rechnen mit einer Entscheidung erst frühestens im Spätsommer. Bis dahin liegen die UPC-Bemühungen bzw. dessen Ratifizierung auf Eis.
Quelle:
Text: FAZ || Legal Tribune Online || JUVE || EPA-Statement Umzug Haar
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