Bei der Geltendmachung von Ansprüchen eines Klagepatents kann es schnell zur Prozesskostenunsicherheit kommen, wenn der Sitz einer juristischen Person nicht offensichtlich ist oder sogar außerhalb Europas liegt. Das OLG Düsseldorf konkretisierte 2017 die Beweislastverteilung für die Bestimmung des Wohnsitzes und des Verwaltungssitzes.
Ist eine Briefkastenadresse ein Verwaltungssitz?
Die Klägerin, die ihre Ansprüche auf das Klagepatent geltend machen möchte, ist eine Gesellschaft englischen Rechts. Im britischen Handelsregister ist seit dem 08.02.2017 als Ort des nach Abschnitt 9 des Companies Act 2006 für juristische Personen vorgeschriebenen „Registered Office“ die im Rubrum angegebene Anschrift angegeben- natürlich in England liegend. Zum Zeitpunkt der Klagerhebung war diese Anschrift als Adresse der Klägerin eingetragen, allerdings war diese Anschrift auch für weitere 22 Gesellschaften ebenfalls als „Registered Office“ eingetragen. In einem Zwischenurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25.06.2015 (Az. 4a O 21/15) wurde festgestellt, dass es sich nicht feststellen ließe, dass die Klägerin überhaupt einen tatsächlichen Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraum habe.
Konkrete Beweislast für die Bestimmung des Sitzes einer juristischen Person
In einer 2017 ergangenen Entscheidung konkretisierte der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf die Beweislastverteilung für diejenigen Tatsachen, aus denen sich der Wohnsitz bzw. Verwaltungssitz des Klägers bestimmen lässt. Im konkreten Fall ging es um die Notwendigkeit einer Prozesskostensicherheit gem. § 110 Abs. 1 ZPO, da der Beklagte davon ausgegangen war, der Sitz des Klägers läge außerhalb der Europäischen Union. Die Klägerin wiederum brachte vor, die englische Anschrift sei ihre Zustelladresse. Das „Registered Office“ sei für die Leitung des Unternehmens tatsächlich hinreichend ausgestattet. Darüber hinaus halte sie, die Klägerin, unter einer schwedischen Anschrift sowohl eine zusätzliche taugliche Zustellanschrift als auch vollwertige Geschäftsräume vor. Die Leitung des Unternehmens finde überwiegend in Schweden statt.
Streitrelevante Fragen sind zu beweisen – auch nicht vorhandene Tatsachen
Danach blieb es zwar bei dem im Zivilprozess gefestigten Grundsatz, dass die streitrelevanten Fragen von demjenigen vorzutragen und zu beweisen seien, der sich auf diese beruft. Dies gelte grundsätzlich auch für negative, d.h. nicht vorhandene, Tatsachen, hier der fehlende Wohnsitz in der EU. Das bloße Bestreiten mit Nichtwissen der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen genüge diesen Anforderungen nicht. Auf der anderen Seite dürften aber auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden, weil die Beklagte in der Regel keine eigene Kenntnis über die interne Organisationsstruktur der anderen Prozesspartei habe. Zumutbar sei der Beklagten daher jedenfalls, diejenigen Anhaltspunkte aufzuzeigen, aus denen sich der fehlende Verwaltungssitz der Klägerin ergebe. Die Klägerin treffe dann eine sekundäre Darlegungslast, weil es ihr regelmäßig und ohne Weiteres möglich und zumutbar sei, ihre Organisationsstruktur offen zu legen. Dies führe weder zur Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Erklärungslast hinausgehende Verpflichtung der Beweisgegnerin.
Steuernummer oder Vermögen nicht entscheidend für Sitz einer juristischen Person
Im konkreten Fall stellte das Gericht auf denjenigen Ort ab, an dem Unternehmensleitungsentscheidungen mit einer „gewissen Verfestigung“ getroffen werden, was wohl als Regelmäßigkeit zu verstehen sein dürfte; die Einhaltung lokaler steuerrechtlicher Vorschriften wie die Einrichtung einer Steuernummer würden dafür keine Rolle spielen. Ebenso sei es irrelevant, ob die Klägerin an diesem Ort über tatsächliches Vermögen verfüge. Die Unterhaltung eines sog. „Registered Office“ ist nicht zu entnehmen, dass es sich dort um den Sitz der Klägerin handele, selbst wenn an jener Adresse Personen vorhanden seien, die zur Entgegennahme von Poststücken berechtigt wären. Die Unterhaltung eines Büros, in dem eigene Geschäftsführer und Buchhalter sowie Rezeptionisten beschäftigt wären, stellen jedoch in Summe und durch die Klägerin unter Beweisangebot dargelegt genügend Anhaltspunkte dar, die für den tatsächlichen Verwaltungssitz der Klägerin am dieser Büroräume sprechen.
Im Ergebnis kommt das Gericht zu dem Schluss, dass sich sowohl der satzungsgemäße Sitz der Klägerin (nämlich in „England“) und ihr „operativer“ Sitz (Schweden) jeweils auf dem Gebiet des europäischen Wirtschaftsraums befinde, sodass der § 110 ZPO nicht zur Anwendung komme. Das Gericht hob deswegen die vorangegangenen Entscheidungen auf (4a O 21/15) und verwies die Sache zur weiteren Behandlung zurück.
Prozesskostensicherheit soll Vollstreckung eines Titels absichern
Die Prozesskostensicherheit bezwecke nicht die Sicherung eines etwaigen Kostenerstattungsanspruches gegen einen etwaigen vermögenslosen Kostenschuldner, sondern soll die Schwierigkeiten bei der Vollstreckung eines Titels außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO oder des Luganer Übereinkommens vermeiden. Schließlich werde ein etwaiges Vollstreckungsverfahren nicht dadurch behindert, dass die Adresse der Klägerin nicht Jedermann bekannt gegeben sei oder mit der ladungsfähigen Anschrift übereinstimme. Vielmehr müsse die Zustellung von Schriftstücken nach EuZustVO möglich sein. Das sei dann der Fall, wie hier, wenn die Büros der Klägerin an der der Beklagten bekannten Anschrift auch tatsächlich vorhanden und offen ausgeschildert seien.
Schließlich konkretisiert das OLG Düsseldorf, wer Ersatzempfänger i.S.v. Art. 14 EuZustVO sein kann. Das seien diejenigen im Betrieb des Adressaten beschäftigter oder anwesenden Personen, die zur Entgegennahme von Sendungen berechtigt seien und deren Empfang bestätigen bzw. den Rückschein unterzeichnen. Dies könne auch ein nicht von der Prozesspartei beschäftigter Rezeptionist in einem Bürogebäude sein, in dem mehrere Unternehmen ansässig seien.
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