Komplizierter Fall: In einem Rechtsstreit, der 2015 bis vor den Bundesgerichtshof gegangen ist, ging es um die Frage ob ein Unterlassungsanspruch aufgrund Erstbegehungsgefahr besteht, wenn die Anspruchsmarke erst nachträglich im nationalen Register eingetragen wird. RAin Jeannine Zorn erklärt den Sachverhalt:
Erstbegehungsgefahr ab Zeitpunkt A, B, C oder D (!?)
Kann der ehemalige Inhaber der Gemeinschaftsmarke und frisch gebackene Inhaber nur einer deutschen Marke (Zeitpunkt D) jetzt noch die Unterlassung der Benutzung vom Inhaber der Marke aus Zeitpunkt B verlangen?
Diese Frage beruht auf folgendem Zeitrang (Anmeldetag oder auch Prioritätsdatum), für den ein wenig Gehirnakrobatik benötigt wird:
- Im Zeitpunkt A wird eine Gemeinschaftsmarke angemeldet und eingetragen.
- Im Zeitpunkt B wird eine deutsche Marke zum Register angemeldet, die mit der Gemeinschaftsmarke aus Zeitpunkt A verwechslungsfähig ist.
- Im Zeitpunkt C wird die Gemeinschaftsmarke für nichtig erklärt.
- Im Zeitpunkt D wird die nun nichtige Gemeinschaftsmarke zur deutschen Marke umgewandelt und in die deutsche Markenrolle mit Prioritätsdatum der ursprünglichen Gemeinschaftsmarke eingetragen.
Wegen der Nichtigkeitserklärung der Gemeinschaftsmarke gilt das Schutzrecht ex tunc, also von Anfang an, als nicht existent. Dadurch ist das erste Registrierungsdatum der Streitmarke nach der Ummeldung das Datum, in dem die deutsche Marke in die Markenrolle eingetragen worden ist (Zeitpunkt D).
Die eingangs gestellte Frage wird vom BGH mit in 2015 ergangener Entscheidung bejaht und darauf gestützt, dass im streitgegenständlichen Fall eine Erstbegehungsgefahr vorläge.
Markenschutz besteht erst durch Anmeldung der Deutschen Marke
Die Wiederholungsgefahr verneint das Gericht, weil Markenschutz für die Streitmarke hier erst aufgrund der Eintragung des Zeichens in die deutsche Markenrolle (Zeitpunkt D) bestanden hatte und die angegriffene Marke vor diesem Datum angemeldet worden sei. Diese Wirkung sei hinzunehmen, weil die Nichtigkeitserklärung eben zur Folge habe, dass das Schutzrecht von Anfang an nicht bestanden hätte (ex-tunc-Wirkung, Art. 55 Abs. 2 GMV, jetzt UMV).
Für die Erstbegehungsgefahr sei irrelevant, ob eine mit dem nunmehr angemeldeten Zeichen (aus Zeitpunkt B) identische oder verwechslungsfähige und eingetragene Marke eines Dritten bestünde. Allein die Anmeldung begründe die Vermutung, dass das als Marke angemeldete Zeichen in naher Zukunft für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen auch benutzt werde.
Ob diese Vermutung auch noch in dem Zeitpunkt besteht, in dem die umgewandelte Marke in die deutsche Markenrolle eingetragen worden ist (Zeitpunkt D), hat das Gericht nicht eindeutig bestätigt. Zu diesem Schluss muss es aber gekommen sein, da es im Ergebnis die Erstbegehungsgefahr bejaht hat. Laut dem BGH besteht die Erstbegehungsgefahr auch dann noch, wenn der Inhaber Anmelder das Zeichen, das im Zeitpunkt B angemeldet wurde, bereits seit Kenntnis vom Bestehen der nunmehr nichtigen Gemeinschaftsmarke, nicht mehr benutzt.
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