Die Group OOD widersprach der Anmeldung einer Unionsmarke und berief sich darauf, Inhaber dieser Marke von nationaler Bedeutung zu sein mit entsprechender Priorität. Das EUIPO lehnte dies ab. Das Besondere an dem Fall: die strittige Marke der Group OOD ist keine eingetragene Marke und ein relatives Eintragungshindernis.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte über den Fall am vergangenen Donnerstag (AZ C:2018:268). Das bisherige Widerspruchsverfahren gegen die angemeldete Unionsmarke stand dabei im Fokus: ein relatives Eintragungshindernis. Anders als absolute Schutzhindernisse werden relative Schutzhindernisse erst relevant, wenn der Inhaber der älteren Rechte seinen Anspruch mit einem Widerspruchsverfahren oder einer Löschungsklage geltend macht.
Vor allem aber wurde nun die Frage geklärt, wie nationales Recht im Unionsrecht angewandt wird und welche Nachweise für den Inhalt des nationalen Rechts erforderlich sind.
Der Hintergrund
Die bulgarische Group OOD widersprach der Anmeldung der Unionsbildmarke GROUP Company TOURISM & TRAVEL und verwies auf die eigene, ältere nationale Marke – die allerdings keine eingetragene Marke ist. Die Widerspruchsabteilung und auch die Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) wiesen den Widerspruch der Group OOD zurück. Nach Meinung des EUIPO hätten keine ausreichenden Nachweise des für seine nicht eingetragene Marke geltenden nationalen Rechts vorgelegen und seien erst verspätet nachgereicht worden. Der EuGH hob jedoch die Entscheidung der Beschwerdekammer bereits 2016 auf (T-567/14, Urteil des Gerichts vom 29. Juni 2016), „weil diese ihr Ermessen im Hinblick auf die Prüfung von Inhalt und Umfang des geltend gemachten nationalen Rechts nicht von Amts wegen ausgeübt habe.“, wie es im jetzigen Urteil heißt. Das Gericht verneinte zudem, dass die von der Group OOD bei der Beschwerdekammer vorgelegten Informationen völlig neu gewesen seien. Gegen dieses Urteil legte der EUIPO Berufung ein (Rechtsmittel, eingelegt am 2. September 2016, C-478/16 P).
Die Group OOD machte geltend, sie habe die nicht eingetragene Marke seit 2003 für zwischenstaatliche Transportdienstleistungen per Autobus in Form einer regelmäßigen Buslinie zwischen Sofia (Bulgarien) und Prag (Tschechische Republik) benutzt. Ihren Anspruch belegte sie mit zahlreichen Dokumenten und berief sich gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 auf die Priorität der älteren nationalen nicht eingetragenen Marke.
Die Widerspruchsabteilung wies das Anliegen der Group OOD vor allem zurück, „weil diese keine näheren Angaben oder Nachweise zum nationalen Recht erbracht habe, auf dessen Grundlage die Benutzung der angemeldeten Marke in den betreffenden Mitgliedstaaten hätte untersagt werden können.“ Dem widersprach das Unternehmen. Die Group OOD hatte in ihrer Beschwerdebegründung vor der Beschwerdekammer auf Bestimmungen des bulgarischen Rechts verwiesen, darunter Artikel 12 Absatz 6 des nationalen Markengesetzes.
Nachweisanforderung für Nationales Recht im Unionsrecht
Im Fokus des nun entschiedenen Rechtsmittelverfahrens standen daher mögliche Verstöße gegen die EU Verordnungen Artikel 76 Abs. 1 u. Abs.2 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 sowie Artikel 8 Absatz 4. Grundsätzlich ist es Sache des Widersprechenden nachzuweisen, dass das Recht, auf das sich das angeführte Zeichen stützt, ein Verbot der Benutzung einer jüngeren Marke rechtfertigen kann. Es ist nicht nur dieser Nachweis zu erbringen, sondern auch der Inhalt der nationalen Rechtsvorschriften nachzuweisen, auf das sich der Widersprechende stützt.
Im Wesentlichen waren in diesem Zusammenhang drei Fragen vom EuGH zu klären:
- Hatte der Widersprechende das Recht, das ein Verbot der Benutzung der jüngeren Marke rechtfertigt – obwohl die ältere nationale Marke keine eingetragene Marke war?
- Bestimmen die Verordnung Nr. 2868/95 oder die Verordnung Nr. 207/2009 die Art und Weise, in der der Inhalt der nationalen Rechtsvorschriften nachgewiesen werden muss?
- Stellen die vom Widersprechenden vor der Beschwerdekammer gemachten Verweise auf das Markengesetz „zusätzliche“ Beweise im Sinne von Regel 50 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 dar und wurden die Beweise zu spät nachgereicht?
EuGH bestätigte die Group OOD
Das Gericht stellte in seinem Urteil klar:
- Für die erforderlichen Beweisverfahren zur Stützung des Widerspruchs gilt: Widerspruch ist nicht nur gegen eine andere eingetragene Marke möglich (Regel 19 Abs. 2a der Verordnung Nr. 2868/95), sondern auch gegen eine nicht eingetragene, nationale ältere Marke (Regel 19 Abs. 2b der Verordnung Nr. 2868/95). Daraus folge, dass der Widersprechende die Form der Beweismittel frei wählen kann. Und das EUIPO sei verpflichtet, „die vom Widersprechenden vorgelegten Beweismittel zu analysieren, ohne von vornherein jede Art von Beweismitteln aufgrund ihrer Form ablehnen zu können“.
- Weder die Verordnung Nr. 2868/95 noch die Verordnung Nr. 207/2009 bestimmen die Art und Weise, in der der Inhalt der nationalen Rechtsvorschriften nachgewiesen werden muss.
Die ausdrückliche Bezugnahme auf das Markengesetz könne Teil des Beweises für den Erwerb, die Dauerhaftigkeit und den Schutzumfang des angeblichen älteren Rechts sein.
Daher könne die Beschwerdekammer von der Group OOD nicht verlangen, einen Auszug aus Darzhaven vestnik (Staatszeitung Bulgariens) oder den offiziellen bulgarischen Text vorzulegen, insbesondere wenn die Verfahrenssprache vor dem EUIPO Englisch ist. Die als Beweis genannten nationalen Rechtsvorschriften müssen es dem EUIPO zwar ermöglichen, den Umfang des etwaigen nationalen Markenschutzes zu verstehen; der Gesetzestext aus offizieller Quelle ist dafür aber nicht zwingend erforderlich. - Zur Anerkennung von verspätet eingereichten Beweisen erinnerte das das Gericht daran, dass die EUIPO Tatsachen, auf die sich die Parteien nicht berufen haben, oder Beweise, die sie nicht rechtzeitig vorgelegt haben, ignorieren kann (Artikel 76 Abs. 2 der Verordnung 207/2009). Gleichzeitig habe das EUIPO aber auch einen Ermessensspielraum, solche Beweise noch anzuerkennen.
Im vorliegenden Fall allerdings seien die von der Gruppe vor der Beschwerdekammer angegebenen späten Verweise auf das Markengesetz keine völlig neuen Elemente und sollten daher als Teil der nicht eingetragenen bulgarischen Marke betrachtet werden. Daher hätte das EUIPO diese Beweise berücksichtigen müssen und habe einen Rechtsfehler begangen.
Der EuGH wies die Berufung des EUIPO ab und beendet damit das Verfahren. Das EUIPO hat die Verfahrenskosten zu tragen.
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Quelle:
Rechtsmittel, eingelegt am 2. September 2016, C-478/16 P
Curia Europa: C:2018:268 (in Französisch)