Nicht nur die Zahlen der Patent- und Markenanmeldungen steigen, sondern auch die der Rechtsfälle im Bereich Geistiges Eigentum. Das ist nicht nur in Europa so, sondern auch in China steigt die Anzahl der Markenrechts- und Patentverfahren.
Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) weist in seinem Jahresbericht 2016 ca. 19.000 Widerspruchsverfahren aus, eine Steigerung von 11% gegenüber dem Vorjahr. Durchschnittlich 30 % der Widersprüche werden durch Entscheidungen abgeschlossen. Das Bundespatentgericht berichtet von ca. 1.600 in 2016 neu eingegangenen und sogar 1700 abgeschlossenen Verfahren. Dies bedeutet ebenfalls eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr, aber andererseits liegen diese Zahlen auf demselben Niveau wie 2014.
Chinesische Statistik
Eine ähnliche Anzahl Fälle hat das Shanghai Intellectual Property Court in 2016 abgeschlossen. Ca. 1.800 Fälle wurden dort und sogar zu 94 % fristgerecht zum Ende geführt. China hatte Ende 2014 sein Patent- und Markenrecht modernisiert und in diesem Zuge drei Gerichte eingesetzt, die sich ausschließlich um IP Recht kümmern: das Beijing Intellectual Property Court, das Guangzhou Intellectual Property Court and Shanghai Intellectual Property Court. Darüber hinaus wurden 2017 in Chengdu, Suzhou, Nanjing und Wuhan jeweils vier Sektionen für geistiges Eigentum eingerichtet. Dies ist Teil des großen chinesischen Justizreformprogramms, das erklärtermaßen vor allem im IP Bereich zu internationaler Annäherung beitragen soll.
Die Anzahl der Fälle ist dabei nicht gleich verteilt zwischen den Regionen, Klagen in Guangdong, Peking, Jiangsu, Shanghai und Zhejiang machen 70% aller Fälle in China aus. Das größte Wachstum weisen Fälle im Bereich Copyright auf. Dieses Wachstum hängt eng zusammen mit der Zunahme des allgemeinen E-Commerce und dadurch zahlreichere Schutzrechtverletzungen im Internet.
China strebt nach rationalem Ansatz zum Schutz des geistigen Eigentums
Aus chinesischer Sicht wurden früher Fälle mit ausländisches Unternehmen mit besonderer Aufmerksamkeit verhandelt, insbesondere bei Patentstreitigkeiten. Um ausländisches Kapital anzuziehen und zu halten, wurde dabei auch häufig zugunsten der ausländischen Firmen entschieden, heißt es in China. Nun aber folgt China einem rationalen Ansatz zum Schutz von geistigem Eigentum.
Außerhalb Chinas ist die Wahrnehmung etwas anders. Aus westlicher Sicht sind sogenannte „präventive Markenanmeldungen“ in China weit verbreitet. Da hilft auch der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben in Artikel 7 des dortigen Markenrechts nicht weiter. Noch immer ist es für Nicht-Chinesische Unternehmen gewöhnungsbedürftig und manchmal sogar überraschend, sich die Besonderheiten im chinesischen Patent- und Markenrecht klarzumachen. Drei wichtige Punkte sind zu beachten:
- Eine Patent- und eine Markenanmeldung kann in China jeder durchführen, der einen eigenen Anspruch an dem Patent bzw. an der Marke vorbringen kann. Und auch ein Agent oder Vertreter des eigentlichen Markeninhabers kann eine Marke auf seinen Namen anmelden. Eine Patent- oder Markenschutzrecherche ist aber nicht verpflichtend. Es findet keine Vorabprüfung statt, ob das Patent so oder ähnlich bereits registriert wurde. So kann es zu jahrelanger Patent- und Markenverletzung kommen, von denen der eigentliche Patent- und Markeninhaber nicht weiß – und eventuell der chinesische Patent- und Markenanmelder auch nicht.
- Als Beweismittel sind zwar zahlreiche Dokumentenarten und sogar Webseitenbelege zugelassen, aber berücksichtigt werden sie vor allem, wenn die Beweismittel eine chinesische Legitimation vorweisen. Beispiele dafür sind Zolldokumente mit amtlichen Stempel und Liefer- oder Verkaufsbelege. Diese sollte nicht elektronisch sein und im besten Fall vom chinesischen Vertragspartner gestempelt werden.
- China verwendet ein spezielles Klassifizierungssystem für Waren und Dienstleistungen, in dem jede Klasse in verschiedene Unterklassen eingeteilt wird. Wenn Unterklassen als nicht-ähnlich eingestuft werden, eröffnet dies Möglichkeiten für die Einreichung von Präventivanträgen – auch in böswilliger Absicht.
Markenrechts- und Patentverfahren: Chinesisches Markenrecht ist speziell
In 2014 wurde explizit das chinesische Markenrecht um den Absatz 15.2 erweitert. Dieser Absatz macht aber klar, dass in China auf Details zu achten ist.
„Ist eine angemeldete Marke identisch oder ähnlich mit der früher benutzten, aber noch nicht eingetragenen Marke einer anderen Person in Bezug auf gleiche oder ähnliche Waren und hat der Anmelder vertragliche oder geschäftliche Kontakte oder andere als die im vorstehenden Absatz vorgeschriebenen Beziehungen mit dem älteren Markenbenutzer, so dass der Anmelder das Bestehen der Marke dieser Person definitiv kennt, so wird die angemeldete Marke nicht eingetragen, wenn diese Person Widerspruch einlegt.“
Dieser Artikel sieht also vor, dass Markenanmeldungen abgelehnt werden sollten, wenn sie von Personen gestellt werden, die aus verschiedenen Gründen von der Existenz einer älteren, nicht eingetragenen Marke Kenntnis haben. Was es allerdings erst einmal zu beweisen gilt.
Chinesische Gerichte orientieren sich gerne an Präzedenzfällen
Denn die Urteile sind sehr unterschiedlich und widersprüchlich. Dies hängt auch mit dem sehr vielfältigen Gerichtssystem in China zusammen. Neben dem Supreme People’s Court gibt es Basic, Intermediate and Higher People’s Courts. Und nur einige der jeweiligen Gerichte können in Markenrechts- und Patentverfahren entscheiden.
Grundsätzlich empfiehlt sich ein genauer Schutzumfang für die eigene Patent- und Markenregistrierung. Auch sollte ein guter Ort für die Markenrechts- und Patentverfahren gewählt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Urteile kann es hilfreich sein, sich die bisherigen Urteile und Rechtserklärungen der jeweiligen Gerichte anzuschauen.
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Quelle:
Text:
IP in China – Outline 2017
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