Verletzt das Rebranding von Waren vor ihrer Einfuhr in den EWR die Rechte aus einer Unionsmarke? Der Generalanwalt des EuGH urteilte gestern im Konflikt um der Entfernung und Neuanbringung der Mitsubishi Marken an Gabelstaplern. Damit wurden wichtige Fragen zum Markenrecht in der EU beurteilt: Grenzen der Rechte des Markeninhabers und die Kontrolle des ersten Inverkehrbringens in die EU.
Der Sachverhalt
Die Kläger sind die in den Niederlanden ansässige Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe BV (MCFE) und die japanische Mitsubishi Shoji Kaisha Ltd (Mitsubishi). Mitsubishi verwaltet weltweit das Markenportfolio der Mitsubishigruppe , sie ist die Inhaberin mehrerer Wort- und Bildmarken in der Warenklasse 12. Die niederländische MCFE verfügt über das ausschließliche Recht, im europäischen Wirtschaftsraum Gabelstapler der Marke Mitsubishi herzustellen und in den Verkehr zu bringen.
Prozessgegner ist die G.S. International BVBA (GSI) und die Duma Forklifts NV (Duma), eine Gesellschaft mit Sitz in Belgien. Sie ist hauptsächlich im weltweiten An- und Verkauf von neuen und gebrauchten Gabelstaplern vor allem der Marken Mitsubishi, Caterpillar, Nissan und Toyota tätig. GSI ist ein mit Duma verbundenes Unternehmen mit derselben Firmenleitung und demselben Sitz, ebenfalls in Belgien ansässig.
Gemäß dem Vorlagebeschluss betrieben Duma und GSI zwischen dem Jan 2004 und dem Nov 2009 rechtswidrigen Parallelhandel mit Gabelstaplern, auf denen die Mitsubishi Marken angebracht waren ohne dass die Markeninhaber zugestimmt hatten. Dieses Verhalten ist allerdings nicht Gegenstand der Vorlagefragen.
Denn seit November 2009 erwarben Duma und GSI Gabelstapler von einem Unternehmen der Mitsubishi-Gruppe und überführten diese in das Zolllagerverfahren. Während die Stapler im Zolllager waren, nahmen die beiden Unternehmen folgende Handlungen vor:
- Vollständiges Entfernen der Mitsubishimarken von den Gabelstaplern,
- Durchführung der erforderlichen Änderungen zur Anpassung der Stapler an die in der Union geltenden Normen,
- Anbringen eigener Marken auf den Staplern und Ersetzen der Kennzeichnungsschilder und Seriennummern durch eigene,
- und Einfuhr und Verkauf im EWR und in Drittländer
Mitsubhishi und MCFE klagten vor 2008 vor dem Handelsgericht Brüssel und beantragten die Unterlassung des Parallelhandels sowie der Entfernung und Neuanbringung der Marken. Die erste Instanz wies 2010 die Klage ab, dagegen legten die Kläger Berufung ein.
Die Vorlagefragen
Das Berufungsgericht Brüssel (Hof van beroep Brussel) legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
- Umfassen Art. 5 der Richtlinie 2008/95/EG und Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung) das Recht des Markeninhabers, sich dem zu widersetzen, dass ein Dritter ohne seine Zustimmung alle auf den Waren angebrachten, mit den Marken identischen Zeichen entfernt (debranding), wenn es sich um Waren handelt, die — wie in das Zolllagerverfahren überführte Waren — noch nicht im Europäischen Wirtschaftsraum vertrieben worden sind, und die Entfernung durch den Dritten im Hinblick auf die Einfuhr oder das Inverkehrbringen der Waren in den bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt?Hängt die Beantwortung dieser Frage davon ab, ob die Einfuhr oder das Inverkehrbringen der Waren in den bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum unter einem vom Dritten angebrachten eigenen Erkennungszeichen erfolgt (rebranding)?
- Wirkt es sich auf die Beantwortung der Frage 1 aus, wenn die so eingeführten oder in den Verkehr gebrachten Waren nach dem äußerem Erscheinungsbild oder Modell vom relevanten Durchschnittsverbraucher noch immer als vom Markeninhaber stammend identifiziert werden?
Es handelt sich um einen kniffligen und wichtigen Fall, in den nicht nur das Markenrecht für Gemeinschaftsmarken, sondern auch zollrechtliche Bestimmungen sowie Regelungen über den unlauteren Wettbewerb hineinspielen.
Argumente der Duma:
Der Inhaber einer Marke könne einer Einfuhr von mit der Marke versehenen Originalmarkenwaren in die Union, die zuvor zwar in das Zolllagerverfahren, nicht aber im EWR in den Verkehr gebracht worden seien, nicht widersprechen. Da kein mit den Mitsubishimarken identisches oder ähnliches Zeichen verwendet werde, sei die Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers völlig irrelevant.
Argumente von Mitsubishi:
Der besondere Zweck des Rechts aus der Marke bestehe darin, dem Markeninhaber die Kontrolle des ersten Inverkehrbringens zu ermöglichen. Der Inhaber der Marke habe das Recht, „sich dem zu widersetzen, dass ein Dritter ohne seine Zustimmung die auf den Waren angebrachten Zeichen entferne, sofern es sich um Waren handele, die – wie in das Zolllagerverfahren überführte Waren – noch nicht im EWR vertrieben worden seien“. Auch habe eine Marke mehrere Funktionen, die verletzt wurden: die Gewährleistung der Herkunft und Qualität der Ware, die Investitions- und die Werbungsfunktion.
Politische Ebene der Vorlagefragen
Die deutsche Regierung spricht sich für eine Verneinung der Vorlagefragen aus: das vollständige Entfernen der Marke verletze keine der Funktionen der Marke. Aus dem Wortlaut von Art. 5 der Richtlinie 2008/95 und Art. 9 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebe sich, dass die Ausübung der sich aus der Marke ergebenden Rechte eine „Benutzung“ der Marke voraussetze, wobei dieser Begriff in beiden Vorschriften gleich auszulegen sei, argumentiert die deutsche Regierung.
Die Europäische Kommission spricht sich jedoch für eine Bejahung der Vorlagenfragen aus. Duma und GSI hätten das Zolllagerverfahren benutzt, um die Gabelstapler mit dem Ziel, ihre Einfuhr in der vorgeschriebenen Form abzuwickeln, in den EWR zu verbringen; in diesem Fall sei irrelevant, dass die Entfernung der Marken von den Waren unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbs rechtswidrig sein könne, so die Kommission.
Der Generalanwalt konzentrierte sich in seinem gestrigen Schlussantrag auf den Aspekt der Benutzung oder der Nichtbenutzung des Markenzeichens, d. h. auf die Vorschriften der Richtlinie 2008/95 und der Verordnung Nr. 207/2009, die die Rechte eines Markeninhabers regeln.
Das Urteil des Generalanwalts
Der Generalanwalt ist der Meinung, dass in dem vollständigen Entfernen der Marke keine Benutzung dieser Marke gesehen werden kann (Art. 5 der Richtlinie 2008/95/EG und Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009). Denn die Benutzung der Marke muss „im geschäftlichen Verkehr“ erfolgen. Die Waren seien zuvor noch nicht im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden, weil sie sich in einem Zolllager befanden. Folgerichtig war für Markenentfernung auch keine Zustimmung des Markeninhabers notwendig.
Entscheidend ist aber auch, dass die Entfernung der Zeichen zu dem Zweck erfolgte, diese Waren mit einer neuen Marke in den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr zu bringen. Zudem seien die Waren „in ihrer Struktur verändert wurden, während sie sich im Zolllager befanden“, um sie an die in der Union geltenden technischen Normen anzupassen. Und es ist auch unabdingbar, dass sich die neue Marke von der ursprünglichen unterscheidet.
Auch ist der Generalanwalt nicht der Auffassung, dass ein betrügerisches oder rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten vorliegt. Denn solange sich die Waren im Zolllagerverfahren befinden, sind sie rechtlich gesehen noch nicht im EWR. Dies entspreche Direktimporten aus Drittländern. Der Inhaber der Marken könne sich der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr von Waren, die für den Verbrauch im EWR bestimmt sind, nicht widersetzen, wenn seine Marken als solche für den Verbraucher nicht wahrnehmbar sind.
Nationales Recht in den Mitgliedstaaten der Union unterschiedlich
Davon unbenommen sind die nationalen Rechtsprechungen der Mitgliedstaaten in der Union. Während sowohl die britische als auch die deutsche Rechtsprechung die vollständige Entfernung einer Marke nicht als Markenverletzung werten, ist dies im französischen Recht explizit eine Markenverletzung. Der französische Gesetzgeber hat für Markenentfernung ein eigenes Verbot formuliert (Art. L 713-2 des Code de la propriété intellectuelle). Das ist insofern relevant, als es für unlautere Geschäftspraktiken unter Unternehmern keine unionsrechtliche Regelung gibt. Um gegen solche Praktiken vorzugehen, müsse auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaats zurückgegriffen werden.
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