Der EuGH entscheidet heute über eine wichtige Frage im Markenrecht. Es geht um nicht weniger als die Anforderungen an die nachträgliche Feststellung der Ungültigkeit einer erloschenen nationalen Marke. Und es wird die Frage geklärt, ob eine erloschene nationale Marke auf der Grundlage des Unionsrechts aufrechterhalten bleibt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wurden vom Bundesgerichtshof (BGH) in einer Auseinandersetzung zwischen zwei deutschen Unternehmen der Bekleidungsbranche zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Betroffen sind die Auslegung des Art. 14 der Richtlinie 2008/95/EG sowie die Auslegung des Art. 34 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009.
Die vorgelegten Fragen sind bedeutsam für das europäische Markenrecht und vor allem für alle Markenhersteller.
Frage 1:
Wenn die Ungültigkeit oder der Verfall einer nationalen Marke nachträglich nur dann festgestellt werden kann, wenn die Voraussetzungen für diese Ungültigkeit nicht nur zum Zeitpunkt ihres Erlöschens oder Verfalls, sondern auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Feststellung vorliegen – ist das mit Art. 14 der Richtlinie 2008/95/EG vereinbar?
Frage 2:
Falls die Frage 1 zu bejahen ist:
Hat die Inanspruchnahme des Zeitrangs nach Art. 34 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 die Wirkung, dass das nationale Markenrecht erlischt und nicht mehr rechtserhaltend benutzt werden kann? Oder bleibt die nationale Marke auf der Grundlage des Unionsrechts aufrechterhalten, auch wenn sie im Register des betreffenden Mitgliedstaats nicht mehr existiert, mit der Folge, dass sie weiterhin rechtserhaltend benutzt werden kann und muss?
Das heutige Urteil
Mit seinem heutigen Urteil gibt der EuGH ein klare Antwort auf beide Fragen. Zur Frage 1 stellt das Gericht klar: die Antwort heißt Nein, eine solche nachträgliche Feststellung der Ungültigkeit ist nicht mit Art. 14 der Richtlinie 2008/95/EG vereinbar. Der EuGH weist darauf hin, „dass die Benutzung der Marke nur bis zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Verfallserklärung bzw. gegebenenfalls bis drei Monate davor berücksichtigt wird“(Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/95).
Und zur 2. Frage, die ebenfalls wichtig für das Markenrecht ist: die Benutzung einer erloschenen nationale Marke im Unionsrecht ist möglich – als Unionsmarke, nicht aber als ältere nationale Marke. Denn „Nicht ermöglicht werden soll der Fortbestand der gelöschten älteren nationalen Marke als solche“, argumentiert der EuGH. Daraus folge, so das Gericht, dass eine etwaige Benutzung des in Rede stehenden Zeichens nach der Löschung in einem solchen Fall als Benutzung der Unionsmarke und nicht der gelöschten älteren nationalen Marke anzusehen ist.
Der Hintergrund
Die beiden Streitparteien sind gleichnamige, aber voneinander rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Unternehmen der Bekleidungsbranche: Peek & Cloppenburg KG. Die Klägerin ist Inhaberin der beiden unter den Nummern 648528 und 648526 eingetragenen deutschen Wort-Bild-Marken „PuC“ mit Priorität aus dem Jahr 1953, die Schutz für Bekleidungsstücke beanspruchen. Die Beklagte war Inhaberin der beiden unter den Nummern 966148 und 1027854 eingetragenen deutschen Wortmarken „PUC“, die 1978 und 1982 angemeldet und eingetragen wurden und für Bekleidungsstücke Schutz beanspruchten.
2004 begann die gerichtliche Auseinandersetzung darüber. Die Klägerin wies die Beklagte 2004 schriftlich darauf hin, dass deren deutsche Wortmarken „PUC“ wegen Verfalls löschungsreif seien, und forderte sie zur freiwilligen Löschung auf – jedoch vergeblich. Die Klägerin erhob dann 2005 eine Löschungsklage, daraufhin beantragte die Beklagte tatsächlich die Löschung ihrer Marken, die im August 2005 gelöscht wurden.
Darüber hinaus aber verfügt die Beklagte über eine für Bekleidungsstücke Schutz beanspruchende 2001 unter der Nummer 242446 eingetragene Unionswortmarke „PUC“. Diese Unionsmarke nimmt für den Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland den Zeitrang der beiden gelöschten nationalen Marken der Beklagten in Anspruch. Auf deren Basis beruht die Seniorität der Unionsmarke.
Quelle: wiki legal-patent.com
Gegen diese Seniorität der bereits gelöschten nationalen Marken richtet sich die Klage im vorliegenden Fall. Die Klägerin argumentiert, die nationalen Marken seien zu dem Zeitpunkt, zu dem sie aufgrund des Verzichts der Beklagten gelöscht worden seien, bereits wegen Verfalls löschungsreif gewesen.
Bisherige Rechtsprechung zur Feststellung der Ungültigkeit einer nationalen Marke
Die nationalen Gerichte sahen diesen Fall bisher wie die Klägerin: das Landgericht Hamburg gab der Klage statt, auch das Berufungsgericht Hamburg wies die Berufung der Beklagten zurück, ließ aber Revision zu. Mit der Revision wandte sich die Beklagte gegen die Ungültigerklärung, die Klägerin klagte auf Zurückweisung der Revision. Zur Begründung hatte das Berufungsgericht ausgeführt, „die gelöschten deutschen Marken, deren Zeitrang die Unionsmarke der Beklagten PUC in Anspruch nehme, seien sowohl zum Zeitpunkt ihrer Löschung als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits wegen Verfalls löschungsreif gewesen“.
Zur nachträglichen Ungültigkeit einer Marke gilt: auf Antrag kann nachträglich die Ungültigkeit einer Marke wegen Verfalls oder wegen Nichtigkeit festgestellt werden
- wenn für eine angemeldete oder eingetragene Gemeinschaftsmarke der Zeitrang einer im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragenen Marke nach Art. 34 oder 35 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 in Anspruch genommen worden ist
- wenn die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Marke wegen Nichtverlängerung der Schutzdauer nach § 47 Abs. 6 MarkenG oder wegen Verzichts nach § 48 Abs. 1 MarkenG gelöscht wurde
- und wenn die Voraussetzungen für die Löschung wegen Verfalls schon zu dem Zeitpunkt gegeben waren, zu dem die Marke wegen Verzichts oder Nichtverlängerung der Schutzdauer gelöscht worden ist.
Denn die Voraussetzungen des Verfalls müssen gemäß Markengesetz nicht nur zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem auf die Marke verzichtet worden ist oder die Schutzdauer nicht verlängert wurde, sondern „auch schon“ zu dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Feststellung der Ungültigkeit (§ 125c Abs. 2 Satz 2 MarkenG). Sind also beide Zeitpunkte zu berücksichtigen? Und wäre das dann vereinbar mit Art. 14 der Richtlinie 2008/95/EG? Denn diese Richtlinie setzt § 125c MarkenG um und enthält keine Anforderungen an die nachträgliche Feststellung der Ungültigkeit einer erloschenen nationalen Marke.
Die wichtige zweite Frage, ob eine erloschene nationale Marke auf der Grundlage des Unionsrechts aufrechterhalten bleibt, wurde in der bisherigen Rechtsprechung unterschiedlich entschieden. Es ist gut, dass es in dieser Frage zur Klärung kommt. Der EuGH wies heute in seinem Urteil darauf hin, dass Seniorität eine alleine Wirkung hat: „Damit soll dem Inhaber der Unionsmarke ermöglicht werden, in diesem Mitgliedstaat weiter von dem Schutz zu profitieren, den die gelöschte ältere nationale Marke genoss.“
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Quellen:
Curia Europa: Rechtssache C-148/17 Peek & Cloppenburg KG gegen Peek & Cloppenburg KG
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