Das EUIPO hatte am 18.07.2017 (Az. R 1670/2015-4) einen durchaus „kuriosen Fall“ zu entscheiden. Denn die Beschwerdekammer hatte zu entscheiden, ob der Anmelder einer Unionsmarke die Anmeldung böswillig getätigt hatte, wenn er zuvor in seiner Funktion als Rechtsanwalt einen Mandanten über die Markenanmeldung beraten hatte. Wir erzählen die dreiste „Erdmann & Rossi“ Markenstory:
Spoiler: Im Leitsatz der Beschwerdekammer fällt das Urteil eindeutig aus; so legte sie fest:
„Es handelt sich um den klarsten Fall einer Bösgläubigkeit seit Bestehen der erkennenden Kammer.“ Dreistigkeit wird bestraft.
Gebühren für Marke „Erdmann & Rossi“ nicht gezahlt – Anwalt reißt sie sich unter den Nagel
Der Rechtsanwalt und nunmehrige Anmelder der Marke „Erdmann & Rossi“ hatte mit den Fahrzeugen, für die die Marke angemeldet worden ist, vor dem Mandatsverhältnis – es ging u.a. um die Vorbereitung eines Lizenzvertrages betreffend des Zeichens –nichts zu tun. Er gab aber an, sich im Nachgang zu dem beendeten Mandat näher mit der Thematik beschäftigt zu haben.
Außerdem habe er den Mandanten, weil für die Anmeldung einer Marke zugunsten des Mandanten die Anmeldegebühr bisher noch nicht eingegangen sei, schriftlich danach gefragt, ob dieser noch Interesse an der Verwertung der Bezeichnung „Erdmann & Rossi“ hätte, man würde sonst gerne die Akte schließen. Vom Schicksal der Marke mangels Gebühreneinzahlung wurde der Mandant jedoch nicht unterrichtet. Der Mandant antwortete, dass er momentan kein Interesse an der Vermarktung hätte.
Zwei Tage nach Zugang dieses letzten Schreibens meldete der Anwalt daraufhin die Marke beim DPMA für sich selbst an. Sechs Monate später meldete der Anwalt dasselbe Zeichen beim EUIPO an und ließ die nationale Marke fallen, ohne sich auf die Priorität zu berufen.
Zwischenzeitlich hatte der ehemalige Mandant eine IR-Marke registrieren lassen, gegen die der Anwalt nun aus seiner Unionsmarke vorgegangen war. Der ehemalige Mandant beantragte daraufhin die Nichtigkeit der von dem Anwalt angemeldeten Unionsmarke.
EUIPO ohne jeden Zweifel: Klarer Fall von Bösgläubigkeit des Anwalts
Das EUIPO stellte in seiner Entscheidung zunächst klar, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit der Tag der Anmeldung des Zeichens sei. Dieser Grundsatz schließe aber nicht aus, dass auch das Geschehen, das zur Anmeldung geführt hatte, in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen und zu betrachten sei. Insoweit können auch Handlungen für die Frage der Bösgläubigkeit entscheidungserheblich sein.
Außerdem trage der Antragssteller zwar grundsätzlich die Beweislast für diejenigen Tatsachen, die für eine Bösgläubigkeit sprechen würden. Dies gelte aber nur, soweit streitiger Sachverhalt vorläge.
Aus Sicht der Beschwerdekammer, war es unstreitig, dass der Anwalt den Mandanten vom Schicksal der Markenanmeldung durch Nichtzahlung der Anmeldegebühren nicht unterrichtet hatte.
Das EUIPO kommt aus den folgenden Gründen zu dem im eingangs formulierten Leitsatz:
1. Erstens seien dem Anwalt der wirtschaftliche Wert und die diese ergebenden Faktoren unmittelbar aus dem Mandatsverhältnis bekannt gewesen, denn im Rahmen des Mandats ist in mind. einem Fall umfangreich mit einem Dritten über eine mögliche Markenlizenz verhandelt worden.
2. Zweitens hätte der Anwalt das Mandat ablehnen müssen, wenn er (Mandant) wie im Laufe des Verfahrens von ihm behauptet, seit Jahrzehnten von den Fahrzeugen der Herkunft Erdmann & Rossi fasziniert gewesen war und jederzeit das Zeichen für sich hätte anmelden können.
3. Drittens habe der Anwalt die Tatsache missachtet, dass das Zeichen dem jahrelang verwendeten Firmennamen des ehemaligen Mandanten entspricht. Eine Anmeldung des Zeichens durch eine andere Person als den Firmeninhaber würde letzteren erheblich in seinem Betrieb behindern.
4. Viertens habe der Anwalt den Werbewert einer bekannten Marke ausgenutzt, weil es ihm lediglich darum gegangen sei, den dem Zeichen aufgrund seiner Historie innewohnenden Goodwill für sich zu beanspruchen, an das er selbst nicht mitgewirkt hat. Mit anderen Worten soll der Anwalt gewusst haben, dass das Zeichen unter dem relevanten Kreisen ein gewisses Ansehen hat und wollte dieses für sich beanspruchen, obwohl er für deren Entstehung selbst nichts beigetragen hatte.
Schließlich sei die anwaltliche Tätigkeit auch unvereinbar mit der gewerblichen Tätigkeit in dem Bereich, in den die Waren- und Dienstleistungen fallen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nämlich Nizza-Klasse 12 (Fahrzeuge). Der Anwalt habe vor der Anmeldung keine Vorkehrungen getroffen, die den Anschein erwecken, dass er demnächst einem Gewerbe mit Bezug auf Fahrzeuge aufnehmen werde.
Die Markenanmeldung vor Aufnahme des Gewerbes in dem Feld, für das das Zeichen angemeldet wurde, sei zwar grundsätzlich möglich und statthaft; hier soll es dem Anwalt allerdings darauf angekommen sein, die Marke selbst zu vermarkten und darüber hinaus kein Fahrzeuggewerbe zu betreiben. Der Betrieb einer so errichteten Markenagentur widerspräche aber dem freiberuflichen Bild eines Rechtsanwalts. Rechtsanwälte würden im gewerblichen Rechtsschutz lediglich als Vertreter und Berater von Markeninhabern und Lizenznehmern auftreten. Eigener Akteur zu sein würde diesem Bild widersprechen. In Kenntnis dessen hätte der Anwalt Abstand von der Markenanmeldung sein müssen.
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Quelle:
Text: Mitteilung der deutschen Patentanwälte Heft 11/2016 + unsere RAin Jeannine Zorn
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