Im Patentrecht für Markush-Ansprüche ist von großer Relevanz, wie die Priorität oder auch Teilpriorität innerhalb des Anspruchs bewertet wird. Das Europäische Patentamt stellt Markush Details in einer Richtline dar, und auch das Beijing Higher People’s Court in China hat kürzlich ein wegweisendes Urteil in dieser Frage getroffen.
Markush-Strukturen sind sehr komplex und können ein breites Spektrum chemischer Strukturen abdecken. Oft kommen sie in wertvollen Verbindungen vor, die in Arzneimitteln benötigt werden. Im Patentrecht führt dies zu schwierigen Bewertungen. Denn Markush-Strukturen werden in Patenten der Chemie und Pharmazie auch verwendet, um mit einer einzigen Anmeldung möglichst viele ähnliche chemische Strukturen abzudecken und zu beanspruchen.
Markush-Anspruch im Europäischen Patentrecht
Grundsätzlich sieht das Europäische Patentrecht vor, dass auf Einheitlichkeit der Erfindung in einer sogenannten Markush-Gruppe zu entscheiden ist, sofern die Alternativen ähnlich beschaffen sind. Nach EPA Richtlinie liegt eine ähnliche Beschaffenheit in chemischen Verbindungen vor, wenn
i) alle Alternativen eine gemeinsame Eigenschaft oder Wirkung aufweisen und
ii) eine gemeinsame Struktur vorliegt, d. h., ein wesentliches Strukturelement allen Alternativen gemeinsam ist, oder alle Alternativen einer bekannten Klasse chemischer Verbindungen auf dem erfindungsgemäßen Gebiet angehören.
Das wesentliche Strukturelement muss dabei nicht absolut neu sein, sondern es soll eine Gemeinsamkeit in der chemischen Struktur vorhanden sein, die die beanspruchten Verbindungen von bereits bekannten Verbindungen mit derselben Eigenschaft oder Wirkung unterscheidet. Wenn sich jedoch mindestens eine Markush-Alternative als nicht neu herausstellt, wird die Einheitlichkeit der Erfindung erneut geprüft.
Daraus ergibt sich ein Dilemma für die Interpretation von Markush-Ansprüchen. Denn wenn ein Markush-Anspruch als eine technische Gesamtlösung interpretiert wird, besteht kein Spielraum für eine Änderung des Anspruchs durch Streichung von Markush-Alternativen beispielsweise während eines Nichtigkeitsverfahrens. Genauso stellt sich Frage nach partieller Priorität. Ende 2016 erließ die Große Beschwerdekammer des EPA eine Verfügung zum Thema Teilpriorität/giftige Divisionen, wonach die Teilpriorität für Markush-Ansprüche nicht zurückgewiesen wird. In den Zeiträngen wird unterschieden: „Bei Teilpriorität hat der schon in der Voranmeldung offenbarte Teilgegenstand der Nachanmeldung den Zeitrang der Voranmeldung; für den überschießenden Teil ist das Anmeldedatum der Nachanmeldung maßgeblich“, heißt es in der entsprechenden EPA Richtlinie.
Teilpriorität vor Chinesischen Gerichten
Auch in China stellt sich das Problem der so genannten „giftigen Teilungen“ und Teilprioritäten. Wenn eine Markush-Formelverbindung im Stand der Technik als eine Reihe paralleler technischer Lösungen ausgelegt wird, gilt jede technische Lösung, die aus diesem Bereich ausgewählt wird, als offenbart und besitzt keine Neuheit. In Anbetracht der Unsicherheit bei der Auslegung von Markush-Formelverbindungsansprüchen ist daher gerade in China zu empfehlen, dass mehr technische Lösungen der Gattung für spätere Änderungen der Verfolgungsansprüche oder Prioritätsgrundlagen beschrieben werden. Dies ist möglich, indem jede Variable der Markush-Formelverbindung Schicht für Schicht separat definiert wird und mehrere Kombinationen der Variablen dargestellt werden.
Die Gerichte in China haben nicht einheitlich geurteilt. In Gilead Sciences, Inc. v. SIPO’s Patent Review Board (PRB) (2016) stellte das Pekinger IP Gericht fest, dass ein Markush-Anspruch eine ganze technische Lösung darstelle und nicht eine Reihe von mehreren parallelen technischen Lösungen.
Das Beijing Higher People’s Court aber hat kürzlich geurteilt, dass ein Markush-Anspruch mehrere technische Lösungen umfasst und somit eine Teilpriorität beanspruchen kann. Verhandelt wurde eigentlich eine Nichtigkeitsklage gegen das Patent von Gilead Sciences , das 2005 vom Chinesischen Patentamt ausgestellt worden sei und das sich auf das Medikament Tenofovir zur Behandlung von Hepatitis B beziehe, berichtete Mondaq vor wenigen Wochen. Demnach wurden unter den Definitionen für die Variablen der Formel einige Alternativen im Prioritätsdokument nicht beschrieben. Die formelle Anmeldung beanspruchte einen breiteren Anwendungsbereich, als der engere Anwendungsbereich aus dem Prioritätsdokument abdeckte. In diesem Fall nun stellte das Beijing Higher People’s Court klar:
Je nach den spezifischen Umständen könne ein Markush-Anspruch eine begrenzte Anzahl von technischen Lösungen umfassen, die klar trennbar sind und somit Alternativen parallel darstellen, so dass der Markush-Anspruch Teilpriorität genießen könne. Dies ist ein wichtiges chinesisches Urteil für alle Chemie- und Pharmaunternehmen im chinesischen Markt.
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Quellen:
EPO Richtlinie zur Prüfung von Markush-Ansprüchen
EPO Entscheidung Teilprioritätsansprüche
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