Der nachträgliche Eintrag in den Disclaimer, ein sogenannter nicht offenbarter Disclaimer, kann eine zulässige Erweiterung im bereits erteilten Patentanspruch darstellen. Aber für das Erteilungsverfahren eines Patents wird diese Erweiterung nicht zugelassen.
So entschied vor wenigen Wochen der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall „Phosphatidylcholin“ (25.7.2017 – X ZB 5/16). Die nachträgliche Aufnahme eines Merkmals in einen Disclaimer, wonach die Zubereitung eine bestimmte Substanz nicht enthalten darf, wurde zwar als zulässige Erweiterung gewertet, aber die Klage auf Patenterteilung auf Basis des nicht offenbarten Disclaimer dennoch abgelehnt.
Die Rechtslage „nicht offenbarter Disclaimer“
Ein nicht ursprünglich offenbartes, aber den beanspruchten Patentgegenstand beschränkendes Merkmal kann für vieles als zulässiges Argument eingebracht werden: bei Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren und auch für Gebrauchsmusterlöschungsverfahren. Aber die Patentfähigkeit kann damit nicht bewiesen werden, daher wird ein nicht offenbartes Merkmal nicht für das Erteilungsverfahren zugelassen. Dies wurde schon 2015 in der Entscheidung „Winkelmesseinrichtung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) festgelegt und auch in der Rechtsbeschwerde 14 W (pat) 30/13 gegen das Bundespatentgericht. Es könne ein nicht ursprünglich offenbartes Merkmal zwar im Patentanspruch verbleiben, wenn seine Einfügung zu einer Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führe – aber dies sei nicht anwendbar auf die Patenterteilung, sondern nur auf Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren. Der BGH betonte jetzt, dass eine Patentanmeldung zurückzuweisen ist, wenn der gestellte Anspruch von der ursprünglich zur Patentanmeldung eingereichten Fassung abweicht und dieser Mangel vom Anmelder auch nicht behoben wird, auch nicht nach Aufforderung durch die Prüfungsstelle. Dieses Gesetz (siehe auch BGH „Spannungsvergleichsschaltung“ 1977, Az.: X ZB 2/77) dient der Rechtssicherheit und schließt aus, dass ein Patent mit einem unzulässig geänderten Inhalt erteilt wird.
Der Hintergrund im Fall Phosphatidylcholin
Im Disclaimer für Hautpflegeprodukte die kosmetische Verwendung der Zubereitung nennt, die jeweils bis zu 30 Gewichtsprozent Kochsalz und Glycerin enthält. Deren Wirkung auf die Barriereeigenschaften der Haut wurden ausführlich geschildert. Im Übrigen enthielt die Beschreibung eine Auflistung reichlicher weiterer Substanzen, die in der Zubereitung, je nach den gewünschten Verwendungsmöglichkeiten, enthalten sein können, aber nicht enthalten sein müssen.
Erst nachträglich fügte die Klägerin Hinweise in den Disclaimer hinzu, dass die Zubereitungen kein Phosphatidylcholin enthalten dürfen.
Phosphatidylcholine sind besser bekannt unter dem Begriff Lecithine. Es sind Begleitstoffe in Fetten und Ölen, die sich hervorragend als Emulgatoren von Fetten und Wasser eignen. Lecithine sind auch in der Lage, lamellare flüssigkristalline Phasen zu bilden, was von besonderem Interesse für die kosmetische Anwendung ist.
Ursprünglich eingereichte Fassung entscheidend für „nicht offenbarter Disclaimer“
Die Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung und die Art der Abweichung zu der späteren Fassung ist entscheidend für die Beurteilung, ob eine Erweiterung als zulässig gilt. Enthält die ursprüngliche Fassung beispielsweise Hinweise, dass das ausschließliche Bestehen des Patentgegenstands aus den genannten Bestandteilen besondere Vorteile hat, ist eine Erweiterung nicht zulässig. Dies war in der vorliegenden Entscheidung „Phosphatidylcholin“ nicht der Fall. Phosphatidylcholin wird nachträglich als möglicher Bestandteil der Zubereitung offenbart, genauer gesagt als möglicher Bestandteil ausgeschlossen, und die ursprüngliche Fassung der Anmeldungsunterlagen gibt keinen Hinweis, dass dieser Bestandteil notwendig oder vorteilhaft für die Zubereitung bzw. für die Barriereeigenschaften der Haut wirksamer erhaltend oder wiederherstellend ist.
Da es durch den Ausschluss von Phosphatidylcholin keine zusätzliche technische Wirkung gibt oder der Fachmann neue technische Informationen erhält, befindet der BGH in diesem Fall eine zulässige Erweiterung.
Es bleibt also bei einem deutlichen Signal zum Verbraucherschutz: Im Hinblick auf den besonderen Schutz der Öffentlichkeit und der durch die Patenterteilung bewirkten Zäsur ist ein nicht offenbarter Disclaimer in einem erteilten Patentanspruch anders zu beurteilen als in einem Anspruch im Prüfungsverfahren für die Erteilung des Patents.
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Quellen:
Phosphatidylcholin – Bundesgerichtshof Juli 2017
Bundespatentgericht 14 W (pat) 30/13
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