Das spektukaläre Ping-Pong Verfahren um das wertvolle Patent auf die Behandlung von Hepatitis-C zwischen Gilead und Merck hat einen neuen Höhepunkt: vor wenigen Tagen erklärte ein U.S. Gericht das Patent von Idenix / Merck für ungültig.
Damit wird das aufsehenerregende Urteil von Dezember 2016 vollständig widerrufen, das Gilead Sciences Inc. auferlegte, 2,5 Milliarden Dollar für Patentverletzungen zu zahlen, weil Gileads Blockbuster Sovaldi gegen Hepatitis C das Patent von Idenix Pharmaceuticals LLC / Merck & Co Inc. verletze. Das vorhergehende Urteil war das größte Patentstreitverfahren, das bisher je vor einem Gericht anhängig gemacht wurde.
Am 16. Februar 2018 aber nun erklärte das U.S. District Gericht von Delaware das fragliche Patent von Idenix / Merck für ungültig (Idenix Pharmaceuticals LLC et al v. Gilead Sciences, Inc., Case No. 1:14-cv-00846). Das Patent habe nicht die Anforderung erfüllt, offen zu legen, wie man die Behandlung, die diese Erfindung abdecke, ohne unverhältnismäßige Experimente durchführen und anwenden könne, heißt es in der Begründung des Urteils.
Patentkampf um Idenix Patent für Hepatitis-C
Im Detail geht es um das Patent Nr. U.S. 7608597 für „Verbindungen, Verfahren und Zusammensetzungen zur Behandlung von Hepatitis-C-Infektionen …, die eine wirksame Hepatitis-C-Behandlungsmenge eines beschriebenen 1′, 2′ oder 3′-modifizierten Nukleosids oder eines pharmazeutisch annehmbaren Salzes oder Prodrugs davon enthalten.“ Ein Prodrug bezeichnet einen pharmokologisch zunächst unwirksamen Vorläufer eines Medikaments, der erst durch die Verstoffwechslung im Körper in einen aktiven Wirkstoff überführt wird. Der Wirkstoff Sofosbuvir sei durch dieses Patent abgedeckt, und daher verletze die Produktion und der Verkauf der Gilead Medikamente Sovaldi® und Harvoni® dieses Patent, so Merck.
Gerade die sehr weitreichende Ausweitung des Schutzes für Verfahren und Zusammensetzungen für eine Behandlung von Hepatitis-C durch die Formulierung im fraglichen Patent führte das U. S. Gericht nun als Argument für die Ungültigkeit des Patents an. „Die strukturellen Begrenzungen der Ansprüche werden buchstäblich durch Milliarden von Verbindungen befriedigt.“, heißt es im Urteil. Nicht alle 2`-methyl-up Komponenten wirken heilend auf Hepatitis C. Also müsse etwas Spezifisches hinzukommen zur 2`-methyl-up Komponente, um Hepatitis zu heilen.
Daher wurden im Verfahrensverlauf auch viele Details der Anwendung des im Patent beschriebenen Verfahrens vor Gericht diskutiert und bewertet. Wichtige Komponenten für das Verfahren gab es gar nicht, sondern mussten von ihnen selbst synthetisiert werden, führten Idenix / Merck aus. Das Gericht stellte fest, dass dies aber nur zu einem sehr kleinen Teil Ansprüche aus dem Patent rechtfertige. Aber auch die Synthese wurde genauer bewertete. Die Synthese der sogenannten 2`-methyl-up fluoro down sei weder simple noch Routine, argumentierten Idenix / Merck. Das Gericht griff dies auf und sagte, dass diese Synthese eine umfangreiche Erprobung erfordere – die wiederum ausreichend offen gelegt werden müssten.
Letztlich sei die entscheidende Frage: Welche der Verbindungen, die die verfeinerten strukturellen Grenzen erfüllen, erfüllen auch die strukturellen Grenzen? Diese entscheidende Information gebe das Patent nicht. Daher seien Idenix / Mercks Ansprüche wegen mangelnder Patentfähigkeit der beschriebenen Erfindung ungültig.
Hintergrund des Falls
Am Anfang des Disputs standen zwei relativ unbekannte Pharmaunternehmen: Sofosbuvir wurde von Pharmasset entwickelt, das 2011 von Gilead Sciences Inc. gekauft wurde. Idenix Pharmaceuticals wiederum hielt das im vorliegenden Fall fragliche Patent (Patent U.S. 7608597) und reichte 2013 eine Patentverletzungsklage gegen Gilead ein. Merck & Co Inc. übernahm dann 2014 wiederum Idenix Pharmaceuticals und auch den Patentstreit.
Einen eigenen Patentstreit verfolgte Merck ohnehin mit Gilead. Im Dezember 2013 erhielt Gilead von der Food and Drug Administration die Genehmigung zur Vermarktung und zum Verkauf von Sovaldi®, einem verschreibungspflichtigen und hochpreisigen Medikament mit dem Wirkstoff Sofosbuvir, zur Behandlung der chronischen Hepatitis C (HCV)-Infektion bei Patienten.
Merck behauptete, dass sein eigenes Patent Sofosbuvir abdecke und dass die Verkäufe von Sovaldi® und Harvoni®, die den Wirkstoff Sofosbuvir enthalten, die Verletzung dieser Patente induzieren und dazu beitragen.
Merck erhielt zunächst Recht im Fall Gilead Sciences Inc. v. Merck & Co. (13-cv-04057, N.D. Cal.) und Gilead wurde zu der Zahlung von 200 Millionen Dollar verurteilt wegen der Patentverletzung. Aber schon 2016 wurde dieses Urteil wieder aufgehoben: ein US-Bezirksgerichts in Kalifornien hob das Schadenersatzurteil auf und hielt fest, dass der Patentanspruch von Merck nicht durchsetzbar sei, weil Merck unrecht gehandelt habe. Denn Pharmasset und Merck hatten eine Geheimhaltungsvereinbarung (NDA) geschlossen, um Möglichkeiten der Medikamentenentwicklung im Bereich der Hepatitis C zu sondieren. Doch ein Patentanwalt von Merck gab sich fälschlicherweise als Mitarbeiter für Pharmassets Firewall aus, und er lernte die Identität von Pharmassets Leitsubstanz kennen. Dies führte zum Urteil des Gerichts, Merck habe unrecht gehandelt.
Das Urteil ist ein Höhepunkt, aber kein Schlusspunkt
Hepatitis C ist ein Virus, das die Leber angreift und zu Leberzirrhose oder Leberkrebs führen kann. Von der Krankheit sind ungefähr 150 Millionen Menschen global betroffen, so die Weltgesundheitsorganisation, darunter ca. 4 Millionen Amerikaner mit einer chronischen Infektion der Hepatitis C.
Eine komplette Behandlung mit Sovaldi kostet ungefähr $84.000. Das Mittel erzielt eine sehr gute Wirkung, wird aber wegen der hohen Kosten diskutiert. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Merck bereits Berufung gegen das jetzige Urteil angekündigt hat. Das Urteil von Delaware ist ein Höhepunkt, aber kein Schlusspunkt in diesem Patentkampf.
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Quellen:
Idenix Pharmaceuticals LLC et al v. Gilead Sciences, Inc., Case No. 1:14-cv-00846
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