Gilt eine auf EU-Ebene erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Teils eines Kombinationsarzneimittels, der zuvor bereits national zugelassen worden war, als von derselben Globalen Zulassung erfasst?
In der Pharmabranche ist ein nachträgliches Inverkehrbringen eines Teils von zuvor zugelassenen Arzneimitteln üblich. In diesem Kontext urteilte der EuG über ein nachträgliches Inverkehrbringen des Arzneimittels – und dessen globale Zuordnung.
Die Klägerin, die Pharmaceutical Works Polpharma S.A. (Polen), ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das verschiedene Arzneimittel, darunter auch Generika, entwickelt und vertreibt. Die im vorliegenden Fall relevanten Arzneimittel sind das Humanarzneimittel Tecfidera – Dimethylfumarat und Fumaderm – für die Behandlung von Multipler Sklerose.
Mit Bestandteil, das zuvor national zugelassen war
Tecfidera, basierend auf dem Wirkstoff DMF, wurde 2014 von der EU Kommission genehmigt für das Inverkehrbringen in der EU. Fumaderm enthält ebenfalls den Bestandteil DMF (Dimethylfumarat („DMF“)) und war bereits 1994 in Deutschland zugelassen worden – nicht aber in der EU.
Die Kommission hatte im Durchführungsbeschlusses C(2014) 601 final vom 30. Januar 2014 über die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Tecfidera – Dimethylfumarat die Auffassung vertreten, dass Tecfidera – Dimethylfumarat nicht unter dieselbe globale Genehmigung für das Inverkehrbringen wie Fumaderm fällt.
In der Folge hatte die EMA im Juli 2018 einen Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen einer generischen Version des Arzneimittels Tecfidera nicht validiert (es handelte sich um das Generikum mit der Bezeichnung Dimethylfumarat Pharmaceutical Works Polpharma).
Daher klagte die Pharmaceutical Works Polpharma S.A vor dem Europäischen Gericht (EuG) – und zwar gegen den Beschluss der EU Kommission von 2014, mit dem Tecfidera das Inverkehrbringen in der EU genehmigt worden war und gegen die Entscheidung der EMA vom 30. Juli 2018.
Der EuG musste daher im Wesentlichen die Frage klären, ob Tecfidera zu derselben globalen Zulassung wie Fumaderm gehört.
Globale Zulassung für Änderungen von Kombinationsarzneimittel
Das ist schon insofern eine interessante Fragestellung, als es sich um ein Kombinationsarzneimittel handelt. In einer solchen Fall Konstellation wurde bereits 2017 bis vor das höchste Europäische Gericht (EuGH) ein ähnlicher Fall verhandelt (28. Juni 2017, Novartis Europharm/Kommission (C-629/15 P und C-630/15 P, EU:C:2017:498)).
Damals hatte Generalanwalt Bobeck Szenarien aufgezeigt für Änderungen des Ausgangsarzneimittels, die nicht unter dieselbe globale Zulassung fielen:
- bei festen Kombinationspräparaten gemäß Art. 10b der Richtlinie 2001/83
- bei der Abtrennung des Wirkstoffs von einer früheren Wirkstoffkombination
- bei einer Änderung eines bestehenden Wirkstoffs, die einem neuen Wirkstoff gleichkommt
Genau auf diese Feststellungen des Generalanwalts hatte sich auch die EMA bezogen gegenüber der Klägerin in ihrem ablehnenden Bescheid.
Doch der EuG wies den Verweis auf Generalanwalt Bobeck als nicht relevant zurück, denn der Gerichtshof (EuGH) hatte in seinem abschließenden Urteil keinen Hinweis auf die von Generalanwalt Bobek vorgeschlagene Wirkung gegeben. Zudem war der EuGH auch gar nicht ersucht worden, darüber zu entscheiden, ob eine auf EU-Ebene erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Bestandteils eines Kombinationsarzneimittels, der zuvor von einer nationalen Behörde zugelassen worden war, von derselben Globalgenehmigung wie die streitige Kombination erfasst wird.
Der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 sei daher mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet, urteilte der EuG, als die Kommission in diesem Durchführungsbeschluss zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Tecfidera nicht zu derselben globalen Zulassung wie Fumaderm gehört. Die Kommission habe vor dem Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 nicht alle relevanten Daten analysiert, die zu berücksichtigen waren, erläuterte der EuG.
Ebenso habe zu Kommission zu Unrecht Kommission in diesem Durchführungsbeschluss festgestellt, dass Tecfidera nicht zu derselben globalen Zulassung Genehmigung für das Inverkehrbringen wie Fumaderm gehört.
Folglich entschied das Gericht, dass die angefochtene Entscheidung der EMA von 2018 für nichtig erklärt wird, da sie sich auf den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 stützte.
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