In der Rechtssache All in One Star hat der Generalanwalt Szpunar entschieden in Bezug auf die Freizügigkeit der Handelsniederlassung und Errichtung einer Zweigniederlassung in einem anderen EU Mitgliedstaat. Unsere Kanzlei Meyer-Dulheuer erzielte in diesem Rechtsstreit einen beachtlichen Zwischenerfolg.
Der BGH hatte dem EuGH eine Vorlage zur Vorabentscheidung eingereicht, deren Beantwortung letztlich den Handlungsspielraum des Aufnahmemitgliedstaats für den Fall bestimmt, wenn eine Zweigniederlassung in einem anderen EU Mitgliedstaat errichtet werden soll. In dieser Woche hat der Generalanwalt Szpunar in seinem Schlussantrag in dieser Frage entschieden.
Insbesondere zielte die Vorlagefrage vom BGH auf das deutsche Recht ab, demnach der Geschäftsführers einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats zur Abgabe der Versicherung verpflichtet ist, dass in seiner Person kein Bestellungshindernis besteht und dass er insoweit durch u. a. einen Notar über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden ist.
Das Ausgangsverfahren
All in One Star Ltd. ist eine in Großbritannien (UK) eingetragene Gesellschaft mit auf den nominellen Betrag der Anteile beschränkter Haftung (private company limited by shares) mit Sitz in UK und seit 2013 in das englische Handelsregister eingetragen. 2014 meldete All in One Star Ltd. beim Amtsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) die Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister an, allerdings vergeblich.
Die Eintragung einer solchen Zweigniederlassung setzt gemäß § 13g Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 8 Abs. 3 GmbHG voraus, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft bei der Anmeldung versichere, dass in seiner Person keines der in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG genannten persönlichen Bestellungshindernisse besteht. Vor allem aber habe er gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 8 Abs. 3 GmbHG zu versichern, dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden sei. Das aber habe All in One Star Ltd. nicht erfüllt, stellte das Registeramt fest und wies die Eintragung ab.
BGH stellte Vorlagefrage an den EuGH
Der Fall wurde im weiteren Verlauf sowohl vor dem OLG Frankfurt bis zum BGH fortgeführt. Nach dessen Auffassung hängt die Entscheidung dieses Rechtsstreits jedoch von der Auslegung des Art. 30 der EU Richtlinie 2017/1132 sowie der Art. 49 und 54 AEUV ab (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)). Denn nach Ansicht des BGHs wäre die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 8 Abs. 3 GmbHG richtlinienwidrig, sollte sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2017/1132 fallen.
Die Vorlagefrage an den EuGH lautet daher:
Steht Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 einer nationalen Regelung – wie im vorliegenden Fall § 13g Abs. 3 HGB – entgegen oder stehen die Art. 49 und 54 AEUV einer solchen nationalen Regelung entgegen?
Generalanwalt folgt der Argumentation der Klägerseite- unserer Kanzlei
Der Generalanwalt Szpunar ist in dieser Frage der Argumentation der Klägerseite gefolgt und empfiehlt in seinem Schlussantrag die Auslegung, dass die Verpflichtungen aus der EU Richtlinie 2017/1132 keine „Pflicht zur Offenlegung“ im Sinne von Art. 30 dieser Richtlinie darstellen. Die Art. 49 und 54 AEUV wiederum führen zwar berechtigt zu der Verpflichtung einer Versicherung des Geschäftsführers, dass keine Hindernisse für seine Bestellung bestehen. Weitergehende Pflichten zur Einbeziehung eines Notars und dies sogar als eine strafbewehrte Verpflichtung seien jedoch nicht berechtigt durch die Art. 49 und 54 AEUV, entschied der Generalanwalt.
Der Generalanwalt entsprach damit der Argumentation der Klägerseite. Unsere Kanzlei Meyer-Dulheuer, die All in One Star seit 2013 in dieser Rechtssache betreut, erzielte somit einen beachtlichen Zwischenerfolg.
Wenn der EuGH den Ausführungen des Generalanwalts folgt, hätte dies weitreichende Folgen in Bezug auf die Freizügigkeit der Handelsniederlassung und Errichtung einer Zweigniederlassung in einem anderen EU Mitgliedstaat. Speziell in Deutschland wäre die Errichtung einer Zweigniederlassung dann deutlich vereinfacht, da der § 13g Abs. 3 HGB in seiner bisherigen Fassung keinen Bestand mehr hätte.
Update vom 3. Juli 2021
Leider kam es nie zu einem abschließendem Urteil des EuGH: Nach dem Austritt des UK aus der EU ist nach der Übergangzeit des Brexits am 31. Dezember 2020 der Artikel 30 der Gesellschaftsrichtlinie auf die Anmeldung der inländischen Zweigniederlassung nicht mehr anzuwenden. Auch auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV konnte sich unsere Kanzlei nicht mehr länger berufen.
Daher hob der BGH seinen bisherigen Beschluss auf, mit dem der BGH den EuGH zur Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit der Verpflichtungen zur Angabe des Stammkapitals gebeten hatte, und urteilte im Juni 2021 abschließend und abschlägig über diesen Fall (II ZB 25/17).
12 Abs. 2 HGB sei nicht nur auf Dokumente anwendbar, die als Anlagen zur Anmeldung einzureichen sind, sondern auch auf die Anmeldung selbst, stellte der BGH fest. Das Gericht lehnte es ab, darüber zu befinden, ob die übrigen Voraussetzungen für eine Eintragung einer Zweigniederlassung einer britischen Limited nach dem Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union und dem Ablauf der im Austrittsabkommen vereinbarten Übergangsfrist noch vorliegen. Stattdessen schloss der BGH diesen Fall mit folgendem Leitsatz:
„Die Anmeldung einer Eintragung in das Handelsregister ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HGB mit einem einfachen elektronischen Zeugnis eines Notars gemäß § 39a BeurkG elektronisch einzureichen. Die Einreichung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers der Anmeldung gemäß § 126a BGB reicht nicht aus.“
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Quellen:
Schlussantrag des Generalanwalts „All in One Star“, EU:C:2020:822,
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