Ein beachtenswertes Urteil des OLG Köln trägt bei zur Neuausrichtung des Begriffs der Rechtsdienstleistung. Ein allgemeiner Text-Generator für Rechtsdokumente als Legal-Tech Angebot ist zulässig, erstellt jedoch keine rechtsverbindlichen Dokumente, urteilte das OLG in 2020. Update: Im September 2021 bestätigte dies der BGH.
In dem interessanten Fall im Bereich Legal-Tech Angebot ging es um ein digitales Angebot eines Verlags. Der Verlag ist nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und besitzt auch keine Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Dennoch bietet der Verlag online einen digitalen Text-Generator für Rechtsdokumente an, quasi einen Roboter für Vertragstexte.
Dieses Angebot wurde von Verlagsseite auch beworben, unter anderem mit Aussagen wie „Günstiger und schneller als der Anwalt“, „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ und „Individueller und sicherer als jede Vorlage und günstiger als ein Anwalt“.
Text-Generator für Rechtsdokumente = juristische Dienstleistung?
Die Rechtsanwaltskammer Köln wurde darauf aufmerksam und klagte sowohl gegen den digitalen Text-Generator für Rechtsdokumente als auch gegen die zugehörige Werbung und hatte damit zunächst Erfolg.
Das Landgericht Köln hatte mit seinem Urteil vom 8. Oktober 2019 entschieden, dass der elektronische Text Generator nicht lizensierte juristische Dienstleistungen anbiete, dies stelle jedoch eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung nach § 2 RDG dar. Insoweit sei auch die darauf abgestellte Werbung eine unlautere Handlung.
Berufung mit Verweis auf BGH Urteil
Gegen diese Entscheidung legte der Verlag Berufung vor dem Oberlandesgericht Köln ein und verwies auf das Urteil des BGH vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18. Demnach sollen zwar Rechtssuchende vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen geschützt sein (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG), aber dennoch sollte der Begriff Rechtsdienstleistung großzügig betrachtet werden, hatte der BGH geurteilt. Vom Gesetzgeber des RDG sei gerade gewollt gewesen, führte der beklagte Verlag aus, dass sich im Bereich EDV-gestützter Systeme neue Berufsbilder entwickeln könnten. Ein weiterer Verfahrensfehler liege auch darin, dass die Vergleichbarkeit mit Steuererklärungssoftware einfach übergangen worden sei.
OLG erklärt Text-Generator für Rechtsdokumente für zulässig
Das OLG folgte dieser Argumentation und gab der Klägerin Recht. Ein Verstoß gegen §§ 3, 2 RDG liege nicht vor, urteilte das OLG. Der beklagte Verlag erbringe mit dem Angebot des Dokumentengenerators keine gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG.
Neuer Rechtsbestand in DE zu Text-Generatoren und Text-Robotern im Legal Tech
Dieses Urteil führt zu einem neuen Rechtsbestand in Deutschland in Bezug auf Text-Generatoren bzw. Textroboter für Rechts- und Vertragsdokumente. Denn auch der BGH schloss sich jetzt – am 9. September 2021 – der Ansicht des OLG Köln an.
Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe des digitalen Rechtsdokumentengenerators ist keine nach § 3a UWG unlautere Handlung, weil sie keine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1, § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) darstellt, urteilte der BGH (09.09.2021, I ZR 113/20). Wie auch schon das OLG Köln betonte der BGH, dass der Text-Generator mit zuvor bereitgestellter Software arbeitet – dabei aber wird die Software nicht in einer konkreten Angelegenheit des Nutzers tätig.
Die über typische Sachverhaltskonstellationen und dafür standardisierte Vertragsklauseln und über den üblichen Fall hinausgehenden individuellen Verhältnisse des Anwenders finden keine Berücksichtigung. Dies sei vergleichbar mit einem Formularhandbuch, erläuterte der BGH. Der Nutzer erwarte daher auch keine rechtliche Prüfung seines konkreten Falls.
Software als solche ist keine „Tätigkeit eines Dienstleisters“
Der vom Verlag angebotene digitale Rechtsdokumentengenerator erstellt auf der Grundlage eines Frage-Antwort-Systems aus einer Sammlung von Textbausteinen EDV-basiert individuelle Rechtsdokumente. Dieser Vorgang könne nur mit einer weiten Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert“ als Rechtsdienstleistung angesehen werden. Denn die Software als solche sei keine „Tätigkeit“ eines Dienstleisters, entschied schon das OLG Köln.
Eine solche weite Auslegung aber ist seit dem BGH Urteil VIII ZR 285/18 nicht geboten.
Zwar sei die nachfolgende Inanspruchnahme des Angebots durch die Nutzer – Verbraucher und Unternehmen – eine Tätigkeit in einem konkreten Einzelfall, aber nicht in „fremder“ Angelegenheit, fügte das OLG hinzu. Zudem läuft das Programm in dem umstritten digitalen Text-Generator – für den Anwender erkennbar – nach einer festgelegten Routine in einem Frage-/Antwortschema ab, mit dem ein Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster eingefügt wird. Dieser Vorgang erfordere daher keinesfalls eine „rechtliche Prüfung des Einzelfalles“.
Werden rechtliche Vorgänge ohne eine individuelle rechtliche Prüfung abgewickelt oder ist die rechtliche Beurteilung einer Frage auch für juristische Laien so leicht und eindeutig, dass es einer besonderen juristischen Prüfung nicht bedarf, so liegt keine Rechtsdienstleistung vor, erläuterte das OLG Köln und wies darauf hin, dass ein Rechtsdokumentengenerator ebenso wie ein Mietpreisrechner ein unverbindliches Ergebnis auswirft. Ein digitaler Text-Generator für Rechtsdokumente wie im vorliegenden Fall erstellt keine rechtsverbindlichen Dokumente, stellte das OLG fest.
Werbung für den Text-Generator ist irreführend
Insofern wurde auch die Werbung für den digitalen Text-Generator vom OLG bewertet. Die „Anpreisung eines EDV-gestützten Rechtsdokumentengenerators als ein mit einer anwaltlichen Beratung vergleichbares Angebot“ sei tatsächlich als irreführenden Werbung für das als solche zulässige Geschäftsmodell zu sehen. Denn die vom Programm vorgegebenen allgemeinen Ausfüllhilfen im Text-Generator genügen den Anforderungen an eine rechtliche Prüfung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG gerade nicht, entschied das Gericht, insofern liege Gefahr für den einzelnen Rechtssuchenden in der Werbung.
Insofern bestätigte das OLG das Unterlassungsgebot für diejenige Werbung des Verlags, die den Text-Generator als vergleichbar mit anwaltlicher Beratung darstellt; diese Unterlassung hatte bereits das Landgericht verfügt.
Text-Generator erstellt keine rechtsverbindlichen Dokumente
Da aber die Klägerin ein generelles Verbot des Text-Generators für Rechtsdokumente anstrebt, sei die im vorliegenden Fall (erfolgreich) angegriffene Werbung des Verlags für den Rechtsdokumentengenerator hier ohne Belang, erläuterte das Gericht. Das Legal-Tech Angebot – der digitale Text-Generator für Rechtsdokumente – sei zulässig, urteilte das OLG Köln.
Revision ist zugelassen
Allerdings ist eine Revision und entsprechende Fortführung dieses Falls vor dem BGH möglich. „Wegen der mit der Sache aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen und im Interesse der Rechtsvereinheitlichung durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitlinien“ wie es im Urteil des OLG wörtlich heißt, sei die Revision zugelassen.
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Quellen:
Urteil des OLG Köln 6 U 263/19
BGH Urteil Legal Tech Text-Generator vom 9.9.2021, I ZR 113/20
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