Wird Ihnen eine Patent- oder Markenverletzung vorgeworfen? Hat der Kläger schon eine einstweilige Verfügung erwirkt, um sie zu zwingen, das verletzende Verhalten zu unterlassen? Falls Sie die vorgeworfene Patent- bzw. Markenverletzung einsehen und vorhaben, sich zu fügen, ist daran zunächst nichts weiter zu beanstanden. Wenn Sie aber das Gefühl haben, dass die einstweilige Verfügung zu Unrecht gegen Sie erwirkt wurde, was sollten Sie dann am besten tun?
Die einstweilige Verfügung ignorieren und einfach so weitermachen wie bisher? Das ist keine gute Idee, denn dann wird die ganze Situation möglicherweise noch brenzliger. Gegen die ungerechtfertigte einstweilige Verfügung gehen Sie auf anderem Wege vor. Und wegen etwaiger Schäden, die Ihnen durch das Befolgen der Verfügung entstehen, brauchen Sie sich im Übrigen nicht zu sorgen: Stellt sich heraus, dass die einstweilige Verfügung ungerechtfertigt ist, haben Sie Anspruch auf Schadensersatz! In diesem Artikel klären wir die wichtigsten Fragen dazu.
Wie geht man gegen eine ungerechtfertigte einstweilige Verfügung vor?
Bevor Sie sich Gedanken über die Höhe des Schadensersatzes machen, sollten Sie sich zuerst darum kümmern, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen! Grundsätzlich ist das auf zwei Wegen möglich:
- Legen Sie Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein. Anschließend wird eine mündliche Verhandlung anberaumt. Daraus ergeht dann ein Urteil, das die einstweilige Verfügung entweder bestätigt oder aufhebt. Gegen dieses Urteil können Sie dann, falls es die einstweilige Verfügung bestätigt, in Berufung gehen.
- Sie können einen Antrag auf Klageerzwingung stellen. Das Gericht setzt dem Verfügungskläger dann eine Frist, innerhalb der er die Hauptsachklage erheben muss, da die einstweilige Verfügung ja nur vorläufigen Charakter hat. Das Hauptsachverfahren ist dann anders als Möglichkeit Nr. 1 zwar nicht mehr Teil des Verfahrens zur einstweiligen Verfügung, bietet aber andere Verteidigungs- und Beweismöglichkeiten.
Achten Sie dabei auf die Einhaltung der Fristen. Und holen Sie auf jeden Fall einen Anwalt zu Hilfe, damit Sie sich nicht in noch verfahrenere Situationen begeben und damit Ihr Vorgehen wirklich aussichtsreich ist.
Geben Sie sich aber bitte nicht der Annahme hin, durch diese Gegenmaßnahmen ließe sich die einstweilige Verfügung aufschieben und Sie bräuchten jetzt nicht weiter reagieren, da ja noch kein rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Eine einstweilige Verfügung wirkt sich ja genau deshalb unmittelbar aus, damit die Rechte des Verfügungsklägers (der die Verfügung gegen Sie erwirkt hat) möglichst schnell wieder eingehalten werden und der Schaden, den Sie als möglicher Verletzer verursacht haben, noch begrenzt wird. Sie sollten die Verfügung also trotzdem erst einmal einhalten, um vorerst Schlimmeres zu verhindern.
Was kann ich alles ersetzt bekommen?
Wenn Sie sich entscheiden, einer einstweiligen Verfügung Folge zu leisten, verlieren Sie dadurch vor allem eins: Den Gewinn an Produkten, die Sie sonst noch hätten verkaufen können. Aber nicht nur dieser Schaden kann ersetzt werden, wenn sich die einstweilige Verfügung als ungerechtfertigt herausstellt. Auch der Verlust einer Wettbewerbsposition oder von Marktanteilen kann zu den Schäden gehören, die ersetzt werden müssen. Auch eine Rufschädigung zählt dazu.
Das ist auf jeden Fall eine gute Sache. Denn auf diese Weise wird nicht nur der Schaden ersetzt, der leicht zu berechnen ist, sondern auch Schäden, die sich erst durch weitreichendere Analyse erschließen, die für das Unternehmen in der Zukunft aber noch viel weiter tragen als ?nur? der entgangene Gewinn. Es könnte Ihnen passieren, dass Ihre Kunden es Ihnen jahrelang übel nehmen, wenn Sie die Produkte einer bestimmten Marke aus dem Programm nehmen. Diese Produkte nicht mehr zu verkaufen ist eine Sache ? Aber die Abkehr der Kunden von Ihrem Unternehmen wird ebenfalls sehr schwer wiegen.
Wird der ganze Schaden ersetzt? Worauf bezieht sich der Schadensersatzanspruch genau?
Schadensersatz schön und gut. Aber wie genau grenzt man den zu ersetzenden Schaden ab? Was zählt alles dazu? In § 945 ZPO steht dazu ?Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel [?] aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel [?] entsteht [?]?. Dazu stellen sich einige Detail-Fragen:
Was heißt ?aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel? genau?
Was heißt nun also eine einstweilige Verfügung zu vollziehen? Sich mit dieser Frage zu beschäftigen ist deshalb wichtig, weil der Verfügungsbeklagte, also der angebliche Marken- bzw. Patentverletzer, erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die einstweilige Verfügung als vollzogen gilt, Anspruch auf Schadensersatz hat.
- Wenn das Gericht die einstweilige Verfügung von Amts wegen zustellt, ist das noch nicht als Vollzug anzusehen! Es kommt viel mehr darauf an, dass der Verfügungskläger seinen Willen, die einstweilige Verfügung auch tatsächlich zu vollziehen, aktiv kundtut. Deshalb muss der Verfügungskläger selbst aktiv werden:
- Vollzogen wird die einstweilige Verfügung also, indem der Verfügungskläger einen Gerichtsvollzieher damit beauftragt, die einstweilige Verfügung zuzustellen, um somit den Vollzug einzuleiten.
- Es ist sehr wichtig, an wen der beauftragte Gerichtsvollzieher die einstweilige Verfügung zustellt! In der Regel ist das der von der Gegenseite benannte Anwalt. Die ordnungsgemäße Zustellung kann durchaus darüber entscheiden, ob die einstweilige Verfügung als vollzogen gilt oder nicht. Im Zweifelsfall sollten Sie auf jeden Fall einen Anwalt zu Rate ziehen!
Mit der Frage des Vollzugs beschäftigte sich der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem die Verfügungsbeklagte den Vertrieb eines bestimmten Produktes schon einstellte, bevor die einstweilige Verfügung als vollzogen angesehen wurde. Für die Zeit vor dem offiziellen Vollzug wurde der Verfügungsbeklagten kein Schadensersatz zugesprochen (Urteil im Fall der Jeanshose ?Nero?). Die Beurteilung der näheren Umstände wird aber höchstwahrscheinlich trotz dieses Urteils auch in Zukunft nicht unumstritten sein, weswegen Sie auf jeden Fall einen Anwalt zu Rate ziehen sollten. Es kann dabei um eine Menge Geld gehen.
Wenn die einstweilige Verfügung nicht gerechtfertigt war, dann darf man doch z.B. das ausgeschaltete Produkt wieder ins Sortiment nehmen. Aber was ist mit den Kosten, die dieser neue Anlauf verursacht?
Das Urteil des BGH im aktuellen Fall zeigt, dass auch die Kosten der Wiederaufnahme z.B. des Vertriebs des involvierten Produkts ersatzfähig sind. Denn wenn ein Produkt einmal aus dem Vertrieb genommen ist, dauert es seine Zeit und verursacht auch Kosten, mit den Zulieferern zu kommunizieren und die Produktion bzw. die Zulieferung neu anzukurbeln.
Der Anspruch auf Schadensersatz spricht den möglichen Patent- bzw. Markenverletzer aber nicht von eventueller Mitschuld frei!
Vielleicht freuen Sie sich gerade, dass Sie von der Person, die für die einstweilige Verfügung und somit für die Einschränkung Ihres Geschäfts verantwortlich ist, tatsächlich Ersatz verlangen können. Wahrscheinlich werden Sie versuchen, so viel wie möglich zurückzubekommen ? Was natürlich verständlich ist. Aber freuen Sie sich nicht zu früh, denn bei der Berechnung Ihres Anspruchs kommt es auch darauf an, wie Sie sich im Vorhinein verhalten haben: Haben Sie auf eine Abmahnung unangemessen reagiert? Haben Sie vielleicht erst durch Ihr Verhalten überhaupt Anlass gegeben zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens? Wenn das der Fall ist, wirkt sich das wahrscheinlich anspruchsmindernd für Sie aus ? Sie bekommen also weniger zurück.
In jedem Fall sollten Sie besser früh als spät einen Anwalt zu Hilfe holen. Patent- und Markenverletzungen sind keine Kavaliersdelikte und können wirklich teuer werden. Dabei mag die Verletzung für Sie selbst vielleicht gar nicht so offensichtlich sein. Planen Sie deshalb alle Schritte mit professioneller Hilfe, um den besten Ausweg zu finden und keine vermeidbaren Risiken einzugehen.
Quellen:
• Preu Bohlig & Partner: Newsletter Oktober, Ausgabe 3/2015
• http://www.haufe.de/marketing-vertrieb/acquisa-professional/schadenersatz-71-schaden-durch-einstweilige-verfuegung_idesk_PI11649_HI1754798.html (Stand vom 26.10.15)
• http://lexetius.com/2014,4559 (Stand vom 27.10.15)
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