Keine Kuschelsocken beim Kauf von Arzneimitteln in der Apotheke! Denn deutsche Apotheker dürfen beim Erwerb preisgebundener Arzneimittel keine geldwerten Vorteile gewähren, wie es beispielsweise Gutscheine, Rabatte oder Werbebeigaben wären. Dies gilt, obwohl der EuGH zur Preisbindung anders urteilte, entschied kürzlich das OVG Münster und ebenso auch das OLG Frankfurt, wie gestern bekannt wurde.
Preisbindung verhindert Zugabe von Kuschelsocken und Brötchen
Deutschen Apothekern ist es verboten, von dem einheitlichen Preis abzugehen, der sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergibt. Die Zugabe von Kuschelsocken beim Erwerb von Arzneimitteln wäre ein Verstoß gegen die Preisbindung (Arzneimittelgesetz § 78 Abs. 1.+2.) Dies gilt auch für das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen sowie für Zuwendungen und Werbebeigaben (Heilmittelwerbegesetz § 7 Abs. 1 Nr. 2). Auch die Werbung dafür ist untersagt. Geldwerte Vorteile dürfen auf überhaupt keine preisgebundenen Arzneimittel gewährt werden, dies gilt sowohl für verschreibungspflichtige als auch für sonstige preisgebundene Arzneimittel.
Ebenso wenig kann es Brötchen aus der Apotheke geben. Im gestern bekanntgewordenen Fall hatte ein Darmstädter Apotheker Gutscheine für Brötchen beim Kauf von Arzneimitteln herausgegeben. Ein gewerblicher Interessenverband hatte dagegen erfolgreich geklagt, der Apotheker ging in die Berufung vor das OLG. Das Oberlandesgericht in Frankfurt urteilte auch in diesem Fall (Az. 6 U 164/16) lautet das Urteil, dies sei ein Verstoß gegen die Preisbindung für Arzneimittel. Allerdings lässt das OLG Frankfurt die Revision zu mit dem Hinweis auf Inländerdiskriminierung.
Der Hintergrund des Falls „Kuschelsocken“
Kläger in diesem Fall sind zwei Apotheker/-innen aus Nordrhein-Westfalen. In 2013 und 2014 hatten die beiden Kläger Gutscheine herausgegeben, die bei Abgabe des Rezeptes eingelöst werden konnten. Für die Gutscheine konnten die Apothekenkunden beispielsweise eine Rolle Geschenkpapier und auch ein Paar Kuschelsocken erhalten. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe wertete dies als einen Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und forderte daher, die Abgabe solcher Gutscheine zu unterlassen. Dagegen wendeten sich die Kläger. Sie argumentieren, das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Oktober 2016-Rs C-148/15 stelle die Geltung der Preisbindung von Arzneimittel auch für deutsche Apotheken in Frage.
Das Verwaltungsgericht Minden wies die Klagen ab.
Das OVG Münster bestätigte die Abweisung der Klage
Das OVG Münster bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und ließ auch keine Revision zum BVerwG zu (13 A 2979/15; 13 A 3027/15). Das Gericht argumentierte:
- Die Preisbindungsvorschriften sind verfassungsgemäß. Sie dienen der bundesweiten gleichmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln und verstoßen weder gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit noch gegen den Gleichheitssatz.
- Gegen die Preisbindung haben die beiden Kläger verstoßen, weil die in dem Gutschein versprochene Sachleistung den Kauf des preisgebundenen Arzneimittels für den Kunden günstiger erscheinen lässt.
- Der Kunde spart eigenen Aufwand, indem er gegen Abgabe des Gutscheins eine Ware des täglichen Bedarfs erhält. Der geringe Wert (weniger als 0,50 €) ist im Rahmen der Preisbindung unerheblich, weil diese keine Bagatellgrenze für (zulässige) Abweichungen kennt.
Unionsrecht lässt nationales Recht zu
Gleichzeitig bestätigte das Gericht auch, dass es deutschen Apothekern verboten ist, von dem einheitlichen Preis abzugehen, der sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergibt. Insbesondere erwähnt werden dabei das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen sowie für Zuwendungen und Werbebeigaben und für die Werbung. Dies gilt ungeachtet des Urteils des EuGH im letzten Jahr. In diesem Urteil (C‑148/15) hatte der Europäische Gerichtshof ausgeführt, die deutsche Arzneimittelpreisbindung gelte nicht für ausländische Apotheken beim Arzneimittelversand an deutsche Kunden.
Urteil C-148/15 des EuGH
Im Urteil des EuGH klagte die Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. (DPV) gegen die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. wegen der Festsetzung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel im deutschen Recht. Grund der Auseinandersetzung war die unterschiedliche Handhabung von Unions- und nationalem Recht in der Frage der Preisbindung. Der DPV ist eine Selbsthilfeorganisation für Parkinson-Patienten. Im Juli 2009 bewarb der DPV eine eine Kooperation zwischen dem DPV und der niederländischen Versandapotheke DocMorris, und stellte seinen Mitgliedern ein Bonussystem vor, das verschiedene Boni für verschreibungspflichtige, nur über Apotheken erhältliche Parkinson-Medikamente bei deren Bezug durch die Mitglieder des DPV von DocMorris vorsah.
Der EuGH stellte den freien Warenverkehr über die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien in Deutschland. Die DPV gewann den Rechtsstreit und das europäische Gericht lässt damit zu, dass die Mitglieder von Rabatten profitieren dürfen. Das Gericht argumentierte, traditionelle Apotheken seien grundsätzlich besser als Versandapotheken in der Lage, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Da Versandapotheken mit ihrem eingeschränkten Leistungsangebot eine solche Versorgung nicht angemessen ersetzen können, sei davon auszugehen, dass der Preiswettbewerb für sie ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sei als für traditionelle Apotheken, weil es von ihm abhängt, ob sie einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt finden und auf diesem konkurrenzfähig bleiben.
Auch wies das Gericht darauf hin, dass sich dies nicht auf seine Beurteilung der Regelungen zur Preisbindung auswirkt. Zu nationalen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen.
OLG Frankfurt thematisiert Inländerdiskrimierung
Das OVG Münster und auch das OLG Frankfurt folgten also dem Urteil des EuGH, denn dieses lässt bei Arzneimitteln nationale Vorschriften zur Preisbindung und zu deren Durchsetzung zu. Das OLG Frankfurt betonte auch explizit, die Beklagte betreibe eine stationäre Apotheke, so dass die Warenverkehrsfreiheit nicht betroffen sei und das Urteil des EuGH für das Urteil ohne Belang sei. Dass es sich gleichzeitig um eine Diskriminierung der inländischen Apotheker handele, lautet eine häufige Kritik. Im Fall der Brötchengutscheine aus der Darmstädter Apotheke benannte das OLG Frankfurt die Inländerdiskriminierung deutlich. „Der Senat hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Inländerdiskriminierung die Revision zugelassen“, heißt es ebenso kurz wie deutlich in der Pressemitteilung des OLG. Und man darf gespannt sein, ob und wann der nationale Gesetzgeber die deutschen Regelungen der europäischen Wirklichkeit anpassen wird.
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Quelle:
Text:
- PM des OLG Frankfurt (29. Nov 2017)
- PM des OVG Münster (Sep 2017)
- EuGH C-148/15 (Okt 2016)
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