Der EuGH entschied gestern im Grenzbereich zwischen Urheberrecht und Verleihrecht: ein Musikausschnitt in einem Video macht das Video nicht zum “ Tonträger „. Das ist relevant, weil es für Tonträger EU Regeln der Vervielfältigung und Vergütung gibt.
Der gestern vor dem EuGH verhandelte Fall liegt im Grenzbereich zwischen Urheberrecht und Verleih- und Vermietrecht. Formell ging es um die Auslegung der Artikel 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115, praktisch um die Begriffe ‚Tonträger‘ und ‚Vervielfältigungsstück‘.
Es handelte sich dabei um eine Vorlagefrage aus Spanien. In dem liegenden Fall ging es um eine Filmsequenz, in die Musikausschnitte eingebracht wurden, die bereits im Handel verbreitet waren. Diese Einfügung der Musikausschnitte war mit Erlaubnis der betroffenen Rechtsinhaber erfolgt und die Einfügung wurde auch einvernehmlich vergütet. Strittig war jedoch, ob eine zusätzliche Vergütung Pflicht war, als diese Filmsequenz auch öffentlich im spanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Denn die EU Richtlinien 92/100 und 2006/115 sehen eine einzige angemesse Vergütung vor, wenn ein im Handel veröffentlichte Tonträger (oder ein Vervielfältigungsstück) in eine audiovisuelle Aufzeichnung eingefügt wird.
Das Europäische Gericht setzte sich daher im Detail mit dem Begriff Tonträger auseinander- ein Begriff, der weder in den Richtlinien 92/100 und 2006/115 noch in den Richtlinien zum Urheberrecht definiert ist. Ein interessantes Graufeld der Rechtsprechung, umso mehr, als der EuGH erst im letzten Jahr viel beachtet über Musik Sampling im Sinne der Vervielfältigung eines Tonträgers nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 geurteilt hat – wir berichteten.
Wie also definiert sich der Begriff Tonträger?
Der EuGH verwies auf das Abkommen von Rom, ein 1961 in Rom geschlossenes Internationales Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen.
Nach dem Wortlaut von Art. 3 Buchst. b des Abkommens von Rom sei der Begriff „Tonträger“ definiert als jede „ausschließlich auf den Ton beschränkte“ Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne, erläuterte der EuGH. Daraus folge, dass eine Festlegung von Bildern und Tönen nicht unter diesen Begriff fallen kann, da sie sich nicht als „ausschließlich auf den Ton beschränkt“ einstufen lässt.
Daher sei davon auszugehen, dass eine audiovisuelle Aufzeichnung, die die Festlegung eines audiovisuellen Werks enthält, nicht als „Tonträger“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 bzw. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 eingestuft werden kann, urteilte der EuGH. Wenn aber also ein Video mit Musikeintrag nicht als „Tonträger“ gilt, könne eine solche Aufzeichnung aus denselben Gründen auch kein Exemplar dieses Tonträgers darstellen und somit auch nicht unter den Begriff „Vervielfältigungsstück“ des betreffenden Tonträgers fallen. Die öffentliche Wiedergabe einer solchen Aufzeichnung eröffnet daher keinerlei Vergütungsanspruch, entschied das Gericht.
Die Rechte an diesem Tonträger (und auch an dem Vervielfältigungsstück) bleiben jedoch unberührt, wenn der Tonträger unabhängig von dem Video – dem betreffenden Werk – genutzt wird.
Das Gericht betonte die Zielsetzung der genannten EU Richtlinien, die darin bestehe, die Kontinuität der schöpferischen und künstlerischen Arbeit der Urheber und ausübenden Künstler zu gewährleisten – mit angemessenem Einkommen. Es gehe darum, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Sendeunternehmen, Herstellern von Tonträgern und den Künstlern zu finden.
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Quellen:
Urteil des EuGH ‚ Video und Tonträger ‚ EU:C:2020:935
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