Die Patentanmeldung für das Audi Patent ‚ Datenkommunikation ‘ in Fahrzeugen wurde vom DPMA abgelehnt, Audi legte dagegen vor dem BPatG Beschwerde ein – erfolgreich. Im Fokus stand die Frage, ob sich die genaue Abfolge der Arbeitsschritte für die Datenkommunikation erfinderisch vom bekannten Stand der Technik abhebt.
Grundsätzlich dreht sich dieses Audi Patent um die Verknüpfung des Cockpit- und Infotainmentsystems in Fahrzeugen mit Navigation, Internet, Mobiltelefon und Audio/Video. Denn diese Servicefunktionen aller modernen Fahrzeuge erfordern einen Austausch aller Daten, also eine Datenkommunikation in Fahrzeugen. Dies gelingt durch die Virtualisierung mit mehreren Betriebssystemen durch einen Hypervisor. Bei einem solchen Datenübertragungsverfahren werden Ethernet-Datenpakete zwischen einer Partition und einer Netzwerkschnittstelle übertragen; dies kann in der Praxis jedoch zu einer nicht erwünschten erhöhten CPU-Last führen.
Datenkommunikation zwischen virtuellen Maschinen mit Netzwerkschnittstelle
Hier setzt das Patent der Audi AG (Patent 10 2018 200 555.9) ein: die Patentanmeldung stellt eine Fahrzeugelektronikeinheit mit wenigstens zwei virtuellen Maschinen (Patentanspruch 1) und ein Datenkommunikationsverfahren (Patentanspruch 7) vor. Dabei wird einerseits das spezielle Zusammenwirken verschiedener Hard- und Softwarekomponenten einer Fahrzeugelektronikeinheit beschrieben, andererseits auch das Verfahren für die Datenkommunikation mit besonderen Merkmalen, demnach das empfangene Datenpaket Teil einer Datennachricht ist, die neben dem Header auch einen Nachrichtensignalisierungs-Interrupt aufweist. Dieses wiederum wird einer Message-Signalled-Interrupt-Steuerungsfunktion (einem „MSI-Handler“) zur Verfügung gestellt, welche der virtuellen Maschine einen virtuellen Interrupt bereitstellt.
Dieses Audi Patent ‚ Datenkommunikation ‘ trägt die vollständige Bezeichnung „Fahrzeugelektronikeinheit mit einer physikalischen Netzwerk-Schnittstelle und mehreren virtuelle Netzwerk-Schnittstellen aufweisenden virtuellen Maschinen sowie Datenkommunikationsverfahren zwischen den virtuellen Maschinen und der Netzwerk-Schnittstelle zu einem lokalen Fahrzeugnetzwerk eines Fahrzeugs“.
Prüfung der Erfinderischen Tätigkeit – welche Druckschriften sind bekannt?
DPMA hatte die Patentanmeldung zurückgewiesen und begründete dies damit, dass sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dies ist ein häufiger Streitpunkt für die Ablehnung einer Patentanmeldung und auch für die Aufrechterhaltung eines Patents. Für die Prüfung der Erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) wird der bekannte Stand der Technik herangezogen und die Frage geklärt, ob die Erfindung für einen Fachmann nahegelegen hätte.
Druckschrift P1: Network Access for Virtual Machine Motors
Im Fall um das Audi Patent ‚ Datenkommunikation ‘ war hiervor vor allem relevant die Druckschrift P1 (William, P. et al.: Concurrent Direct Network Access for Virtual Machine Monitors. In: Proceedings of the 2007 IEEE 13th International Symposium on High Performance Computer Architecture. Scottsdale, AZ, USA (2007)).
Denn die Druckschrift P1 beschreibt Hard- und Softwaremechanismen, die mehreren von einem „virtual machine monitor“ – also einem Hypervisor – verwalteten, voneinander isolierten virtuellen Maschinen einen gleichzeitigen direkten Netzwerkzugang ermöglichen.
Jedoch sind zumindest die Anweisungen der Merkmale M2.1, M4.2, M4.3, M5.1 und M5.2 der Druckschrift P1 nicht zu entnehmen, erläuterte das Bundespatentgericht (BPatG). Diese Merkmale betreffen insbesondere die Arbeitsweise der beanspruchten Filter- und Routingeinheit (vor allem gemäß Merkmal M2.1) und ergeben sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus der Lehre der Druckschrift P1.
Zwar sei der Druckschrift P1 allgemein entnehmbar, dass der Transfer der Datenpakete durch DMA-Zugriffe über ein EthernetNetzwerk erfolgt und dazu ein PCI-basiertes System verwendet wird, räumte das BpatG ein.
Jedoch liefere die Druckschrift P1 keinen Anlass für die spezielle Vorgehensweise des angemeldeten Patents, gleichzeitig mit dem Schreiben eines Datenpakets in einen RX-Puffer der Netzwerkkarte eine Eingangsmeldung an einen Ethernet-Treiber zu übermitteln, der seinerseits ein Triggersignal an eine Filter- und Routingeinheit sendet, welche mittels eines weiteren Triggersignals einen PCIe-Treiber veranlasst, das Kopieren des Datenpakets über ihre eigenen DMA-Ausgänge vorzunehmen.
Druckschrift P2: Austausch von Datenpaketen zwischen virtuellen Maschinen
Auch die Druckschrift P2 (US 7 620 955 B1) lege die Audi Erfindung nicht nahe, ergänzte das Gericht. Druckschrift P2 beschreibt den Austausch von Datenpaketen zwischen virtuellen Maschinen in Kernel-basierten virtualisierten Systemen, bei denen sowohl reale physikalische als auch virtuelle Puffer zum Datenaustausch vorgesehen sind.
Zwar sei aus P2 eine spezielle Abfolge der zwischen dem Empfang eines Datenpakets und dem Kopieren dieses Pakets in einen „guest receive packet data buffer“ ausgeführten Schritte bekannt. Daraus könne aber ein Fachmann keine Anregung gewinnen, die exakte und spezielle Abfolge der einzelnen Datenverarbeitungseinheiten gemäß des Patentanspruchs 1 im Audi Patent auszuführen, urteilte das BPatG. Zudem kommt bei dem Transfer des Datenpakets in P2 auch keine Filter- und Routingeinheit zum Einsatz, welche von einem „virtual machine monitor“ nach Filter- und Routing-Regeln bereitgestellt wurde (Merkmal M2.1). Auch dass die Filter- und Routingeinheit einen Header eines Datenpakets auswertet und ein Datenpaket über ihre eigenen DMA-Ausgänge übermittelt, ist der vorliegenden Druckschrift P2 nicht zu entnehmen.
Beschwerde war erfolgreich
Der ablehnende Beschluss des Prüfungsamts wurde daher vom Gericht aufgehoben und das Patent – angemeldet am 15. Januar 2018 – wurde vollständig gewährt.
Der Fall zeigt einmal mehr, dass eine Beschwerde gegen eine Patentablehnung des Prüfungsamts durchaus erfolgreich sein kann. Je spezieller das Fachwissen für die Beurteilung der Erfindung ist, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich für eine erfolgreiche Beschwerde.
Sprechen Sie uns gerne an, unser Team aus Patent- und Rechtsanwälten verfügt über jahrelange Expertise und fundiertes Fachwissen.
Quellen:
Urteil des BPatG Audi Patent ‚Datenkommunikation‘, 17 W (pat) 14/20
Bild:
Schreiben Sie einen Kommentar