Folgt aus einer teilweise Rücknahme und Beschränkung auf einen Teil der Waren und Dienstleistungen im Widerspruchsverfahren die teilweise Rücknahme des Widerspruchs auf den anderen Teil? Der EuG erläuterte in diesem Kontext den Umfang der Prüfung der Beschwerdekammer im Widerspruchsverfahren zwischen Škoda und Škoda.
Widerspruchsverfahren gegen Unionsbildmarke „Pfeil mit Flügel“

In diesem interessanten Fall, der gestern (am 13. Oktober 2021, T‑712/20) in einem Markenverfahren zwischen Škoda Auto und Škoda Investment (beide Tschechische Republik) um die Unionsbildmarke „Pfeil mit Flügel“ verhandelt wurde, beschäftigte sich der EuG im Detail mit dem Umfang der Prüfung der Beschwerdekammer im Widerspruchsverfahren im Rahmen einer Beschwerde, die sich auf ein relatives Eintragungshindernis einer Marke bezieht.
Das war vorliegend der Fall, denn Klägerin Škoda Investment hatte mit Verweis auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001 gegen die Markenanmeldung der Streithelferin widersprochen, die Škoda Auto, sie hatte sich also darauf berufen, dass die angefochtene Marke „Pfeil mit Flügel“ mit der eigenen älteren Marke identisch sei und wegen der Identität oder Ähnlichkeit auch in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr bestehe. Dies ist ein sogenanntes relatives Eintragungshindernis einer Marke.
Verkompliziert wurde der Fall, weil beide Streitmarken auf eine Priorität einer anderen Marke gestützt sind: die Marke der Skoda Auto beansprucht die Priorität der libanesischen Marke Nr. 88468 vom Mai 2018, die Marke der Škoda Investment dagegen die Priorität für die Anmeldung der tschechischen Marke Nr. 550086 vom August 2018.
Teilweise Rücknahme im Widerspruchsverfahren
Mit Verweis auf die frühere Priorität der libanesischen Marke hatte die Widerspruchsabteilung den Widerspruch der Klägerin Škoda Investment zurückgewiesen, woraufhin Škoda Investment Widerspruch vor der Beschwerdekammer einlegte. Die Widerspruchsabteilung habe nicht beachtet (mit Verstoß gegen Art. 34 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001), dass eine Unionsmarke identisch sein muss der Marke aus der Priorität. Speziell Nachverfolgungs- und Navigationssoftware der Nizza-Klasse 9 (und noch weitere Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38 und 39) seien aber nicht im Schutzbereich der libanesischen Marke enthalten.
Für diese beanstandeten Waren und Dienstleistungen erhielt die Skoda Investment auch Recht, die Entscheidung der Widerspruchsabteilung wurde in Bezug auf diese von der Beschwerdekammer des EUIPO aufgehoben.
Diese teilweise Rücknahme hatte aber auch zur Folge, dass die nicht in dieser Begründung genannten Waren und Dienstleistungen nicht mehr Teil des Widerspruchsverfahrens waren und dass die Zurückweisung des Widerspruchs bezüglich dieser nicht genannten Waren und Dienstleistungen bestandskräftig geworden war.
Die Klägerin Škoda Investment sah darin einen Verfahrensfehler und eine von Amts wegen zu prüfende Verletzung wesentlicher Formvorschriften, die von Amts wegen zur vollständigen Aufhebung dieser Entscheidung hätte führen müssen. Sie klagte vor dem Europäischen Gericht (EuG).
EuG: Umfang der Prüfung der Beschwerdekammer
In diesem Kontext erläuterte das EuG den Umfang der Prüfung der Beschwerdekammer in einem Widerspruchsverfahren.
i. Nicht über die erhobene Beschwerde hinaus
Die Beschwerdekammer darf demnach im Rahmen einer Beschwerde, die sich auf ein relatives Eintragungshindernis einer Marke bezieht und gegen eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung gerichtet ist, mit ihrer Entscheidung nicht über den Gegenstand der bei ihr erhobenen Beschwerde hinausgehen. Die Beschwerdekammer ist also an die Grenzen der Anträge gebunden, die durch die Beschwerde des Beschwerdeführers gegeben sind.
ii. Ausnahme: grundlegende Verfahrenserfordernisse
Das aber gelte nicht für Rechtsgründe, die nicht von den Beteiligten erhoben wurden, aber grundlegende Verfahrenserfordernisse betreffen, ergänzte das EuG. Darunter fallen auch die für die Zulässigkeit eines Widerspruchs geltenden Regeln, dies zu prüfen sei die Beschwerdekammer berechtigt, stellte das EuG fest.
iii. Beschwerdekammer darf Anträge nicht ändern
Allerdings, so betonte das Gericht, dürfe die Beschwerdekammer auf keinen Fall Anträge, die ein Beschwerdeführer in Beschwerde gestellt hat, von Amts wegen ändern.
Beschwerdegründe stellten zwar die erforderliche Grundlage für die Anträge in einer Beschwerde dar, erläuterte das EuG, gleichwohl unterscheiden sie sich von diesen Anträgen, die ja die Grenzen einer solchen Beschwerde definieren. Das EuG verwies auf das EuGH Urteil British Airways (C:2017:861), in dem das höchste Europäische Gericht bereits gleichlautend so entschieden hatte.
Das aber war relevant für den vorliegenden Fall. Denn hätte die Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung in vollem Umfang aufgehoben, wie die Klägerin Škoda Investment forderte, hätte dies laut EuG zur Folge gehabt, dass die Kammer mit ihrer Entscheidung über den von der Klägerin selbst festgelegten Streitgegenstand hinausgegangen wäre.
Prüfung der Beschwerdekammer: Verfahrensfehler korrigieren
Solange aber eine Entscheidung nicht bestandskräftig geworden ist, kann ihre Rechtmäßigkeit im Fall einer Beschwerde von der Beschwerdekammer geprüft werden, betonte das EuG, was im Übrigen vorliegend der Fall war. Mehr noch, die Aufgabe der Beschwerdekammer bestehe sogar genau darin, solche Verfahrensfehler zu korrigieren und folglich eine Entscheidung, die damit behaftet ist, gegebenenfalls aufzuheben.
Die Klage der Škoda Investment wurde daher vollständig vom EuG zurückgewiesen.
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