Wenn die eigene Markeneintragung vor dem EUIPO scheitert, obwohl es eingetragene vergleichbare Marken bereits gibt, wird gerne auf der Basis von Gleichbehandlung vor den Europäischen Gerichten gegen die Entscheidung geklagt. In der Regel allerdings vergeblich.
Man kennt das: mühsam wurde ein Begriff oder eine Gestaltung gesucht, um eine Marke zu umschreiben – aber ohne direkt beschreibend zu sein (denn ein Markenname darf nicht beschreibend sein für das Produkt oder die Dienstleistung). Dann ergab die Vorab Markenrecherche, dass es vergleichbare erteilte Marken schon gibt, aber für andere Waren und Dienstleistungen als man selbst zu beanspruchen plant. Oder es gibt ähnliche Marken für gleiche Waren und Dienstleistungen, aber die eigene geplante Markenanmeldung unterscheidet sich dennoch ausreichend.
Jetzt glaubt man sich sicher in der eigenen Markenanmeldung, schließlich gilt ja – zumindest im europäischen Markenrecht – ein Grundsatz von Gleichbehandlung. Zudem sind ja die Markenämter zur Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen verpflichtet, das europäische Markenamt (EUIPO) beispielsweise muss sich an die EU Verordnung Nr. 207/2009 halten, das ist die Verordnung über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke. Und diese Verordnung ist dann wiederum auch die Grundlage für die europäische Rechtsprechung in Bezug auf Markenrecht.
Also kann man sich doch wohl vor einem europäischen Markengericht (EuG und EuGH) auf bereits vorhandene Markeneintragungen des EUIPO berufen im Sinne der Gleichbehandlung, wenn die eigene Markenanmeldung – oftmals unverständlicherweise – zurückgewiesen wurde.
Doch das ist jedoch ein Irrtum!
Rechtmäßigkeit der EUIPO Entscheidungen vor dem Europäischen Gericht
Immer wieder scheitern diese Einwände vor den Europäischen Gerichten, und dies ist nicht etwa Glückssache, sondern in rechtsrelevanten Urteilen sowohl des EuG als auch des EuGH begründet worden.
Die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ist allein auf der Grundlage der EU Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter zu beurteilen, urteilte der EuGH schon vor über 10 Jahren – und nicht auf der Grundlage einer vorhergehenden Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des EUIPO.
Denn gemäß Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 kann eine Entscheidung der Beschwerdekammern nur aus eng definierten Gründen aufgehoben oder abgeändert werden:
- wegen Unzuständigkeit
- Verletzung wesentlicher Formvorschriften
- Verletzung des EG-Vertrags, der Verordnung Nr. 40/94
- oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs.
Alle Entscheidungen, die das EUIPO über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke trifft, werden allerdings nicht nach Ermessen getroffen, sondern im Rahmen der EU Verordnung Nr. 207/2009, argumentieren die Europäischen Gerichte. Die Entscheidungen der Beschwerdekammern über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 seien gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen, urteilte der EuGH schon 2007 (Alcon Inc. , EU:C:2007:252).
Daher kann eine Entscheidung zur Markeneintragung nicht auf Basis von vorhergehender Entscheidungspraxis vor den Europäischen Gerichten angefochten werden.
Grundsatz der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung
Auch kann der Grundsatz der Gleichbehandlung vor den Europäischen Gerichten kaum erfolgreich vorgebracht werden.
Denn aus Gründen der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung muss die Prüfung jeder Markenanmeldung streng und umfassend sein und vor allem in jedem Einzelfall erfolgen. Aus diesem Aspekt kann man sich nur unwahrscheinlich auf eine wirklich vergleichbare Markeneintragung beziehen, die im Übrigen auch eine Unionsmarke sein müsste. Außerdem muss eine Markenanmeldung die grundsätzlichen Anforderungen für Markenschutz erfüllen.
Ein Beispiel für dafür wurde gestern in einem Fall vor dem erstinstanzlichen Europäischen Gericht (EuG) verhandelt, in dem die Klägerin geltend machte, dass die eigene EU Markenanmeldung „Heartfulness“ vom EUIPO zurückgewiesen wurde, obwohl das EUIPO sogar 14 Tage später die Eintragung der Unionsbildmarke heartfulness eines anderen Markenanmelders zuließ, die im Wesentlichen dieselben Waren und Dienstleistungen wie die in der vorliegenden Rechtssache betrifft. Doch vergeblich; wenn die Eintragung der angemeldeten Marke für die in Rede stehenden Waren mit dieser Verordnung unvereinbar ist (im vorliegenden Fall wurde die Marke als beschreibend angesehen), könne man sich nicht zu Recht auf die frühere Entscheidungspraxis des EUIPO berufen, urteilte der EuG (EU:T:2021:112).
Sind die vergleichbaren Marken noch nicht einmal Unionsmarken, sondern nationale Marken, können sie weder vor dem EUIPO noch vor den Europäischen Gerichten als Basis von Klagen dienen. Hintergrund dazu ist, dass das gemeinschaftliche Markenrecht eine autonome Regelung bildet und daher das EUIPO nicht durch nationale Eintragungen gebunden ist.
EUIPO ist an Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden
Allerdings ist das EUIPO an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden. Das umfasst insbesondere auch die Pflicht des EUIPO, im Rahmen der Prüfung der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Dennoch muss die Beachtung Grundsatzes der Gleichbehandlung auch mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Demnach aber kann sich der Anmelder eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke nicht auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen, urteilte der EuGH bereits im Jahr 2011 (Agencja Wydawnicza Technopol , C‑51/10 P).
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Quellen:
Urteil Heartfulness des EuG, EU:T:2021:112
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